Es geht nicht voran: In kaum einer anderen Stadt dauern Baugenehmigungen so lange wie in Köln

Revival ohne Luxus

Wie bekämpft man die Wohnungsnot? Politik und Verwaltung haben darauf bislang keine Antwort gefunden

6000 Wohnungen wollten Stadt und Bauwirtschaft jedes Jahr bauen, so das Versprechen. 2018 waren es immerhin fast 4000 Wohnungen. Doch jetzt liegen die Zahlen für 2019 vor, und es ist klar, dass die Beschlüsse der vergangenen Jahre nicht gereicht haben: Lediglich 2175 Wohnungen kamen hinzu. Der Anteil der Sozialwohnungen, auf die fast die Hälfte der Haushalte einen Anspruch hätte, ist gar auf 6,8 Prozent gesunken. »Wohnen ist in Köln mittlerweile ein Luxusgut«, stellt Andreas Kossiski, OB-Kandidat der SPD, fest. Einen »krassen Fehlschlag« nennt sein Konkurrent Jörg Detjen, Die Linke, das Wohnungsbündnis.

Nach scharfer Kritik hat OB Henriette Reker einen Vorschlag präsentiert, der den Immobilienmarkt umkrempeln soll. Städtische Grundstücke sollen nicht mehr verkauft, sondern vorrangig in Erbpacht vergeben werden. Investoren müssen also den Boden, den sie bebauen, von der Stadt pachten. Bis zu 99 Jahre können solche Verträge laufen. Dann fallen die Grundstücke zurück an die Stadt, die eine Entschädigung für die Gebäude bezahlt und langfristig Eigentümerin ihres Grund und Bodens bleibt. In den Verträgen sollen den Investoren engere Grenzen gesetzt werden. »Wir wollen bezahlbare Wohnungen fördern«, sagt OB Reker. Deshalb sollen Investoren, die bei Projekten 30 Prozent Sozialwohnungen bauen und weitere 20 Prozent für höchstens zehn Euro je Quadratmeter vermieten, einen Pachtzins von 1,5 Prozent des Grundstückswerts bezahlen. Diese Mieten sollen für die gesamte Vertragsdauer festgeschrieben werden. Wer diese Vorgaben nicht erfüllen will, muss mit vier Prozent kalkulieren. Boden-Spekulation soll ausgeschlossen werden: Ein Verkauf des Erbbaurechts ist ohne Zustimmung der Stadt nicht möglich. Zuletzt stiegen die Bodenpreise um rund zehn Prozent jährlich.

Erbpacht als Schlüsselinstrument

Dass aber Baugenehmigungen in Köln so lange dauern wie in kaum einer anderen Stadt, wird sich dadurch nicht ändern, wohl aber das Preissegment, für das neue Wohnungen gebaut werden. Das soll auch für die anstehenden Großvorhaben gelten, etwa Deutzer Hafen, Parkstadt Süd, Kreuzfeld und Rondorf Nord-West.

Die Stadt erkennt damit an, dass die Zahl der neuen Wohnungen nicht reichen wird, um die Lage zu entspannen. Offenbar hofft die Stadtspitze, die bislang große Projektentwickler bevorzugte, auf Investoren, die mit weniger Rendite kalkulieren. »Wir werden andere Interessenten für diese Grundstücke haben«, sagt die für Liegenschaften zuständige Dezernentin Andrea Blome. OB Reker nannte die kommunale Wohnungsgesellschaft GAG sowie die Genossenschaften als mögliche Erbpachtnehmer.

Nach der Sommerpause soll der Rat den Vorschlag diskutieren und noch vor der Kommunalwahl im September einen Beschluss fassen. Alle Fraktionen außer der FDP sprechen sich grundsätzlich für eine stärkere Nutzung des Erbbaurechts aus. FDP-Fraktionschef Ralph Sterck warnt, neben Konzeptvergabe, Milieuschutzsatzung und Kooperativem Baulandmodell »nicht noch ein Instrument« einzuführen, um in den Markt einzugreifen. Sterck fürchtet, dass dadurch sogar weniger Wohnungen entstünden. Aus der SPD kommt ebenfalls Kritik, allerdings mit anderer Zielrichtung. Jochen Ott, SPD-Fraktionsvize im Landtag und GAG-Aufsichtsratsvorsitzender, hält den angepeilten Zins von 1,5 Prozent für »viel zu hoch«. Im Vergleich zu den günstigen Zinsen, die derzeit für Kredite zu zahlen seien, sei das kein ausreichender Anreiz. Ott kritisiert zudem die schlechte Koordination der städtischen Ämter.

Stadtverwaltung als Hindernis

Dem stimmen viele im Rathaus zu. Die Dezernate seien zu groß, heißt es übereinstimmend. Die Kölner Stadtverwaltung gilt als zerstritten — ein Hindernis, wenn die Stadt die Bautätigkeit mit ihren eigenen Grundstücken steuern will. Das Baudezernat von Markus Greitemann ist auf die Zusammenarbeit mit dem Liegenschaftsamt aus Blomes Dezernat angewiesen. Immer wieder sieht sich das Liegenschaftsamt Vorwürfen ausgesetzt, den Zielen der Stadtentwicklung entgegenzuwirken. Zuletzt hatte die neu gegründete Mietergenossenschaft, die an der Erweiterung der Indianersiedlung in Zollstock arbeitet, über die Preisvorstellung für das notwendige Grundstück geklagt. »Das Liegenschafts-amt will Geld verdienen«, sagt SPD-Politiker Jochen Ott. Das sei ein Problem, wenn das Ziel sei, Wohnungsnot zu bekämpfen.

Auch Liegenschaftsdezernentin Andrea Blome führt das Bauvorhaben der Indianersiedlung als Beispiel an. Dort sollen auf einem städtischen Grundstück ausschließlich Sozialwohnungen entstehen. Das ist für die junge Genossenschaft nur finanzierbar, wenn der Preis nicht an Marktbedingungen gemessen wird. Blome will das ermöglichen, aber anders als andere Städte das tun. Statt für am Gemeinwohl orientierten Projekten den Pachtzins unter 1,5 Prozent anzusetzen, schlägt Blome vor, die Berechnung des Grundstückswertes zu verändern, auf den der Zinssatz bezogen ist. Der solle künftig »nutzungsorientiert« ermittelt werden. »Wir preisen künftig stärker ein, was man darauf bauen kann«, sagt Blome. Details des Ansatzes nannte sie bislang nicht.

Niklas Kienitz (CDU) spricht ebenso wie Jörg Frank (Grüne) von einem Mentalitätswechsel, der nötig sei. »Ämter übergreifendes Denken« fordert Kienitz, Vorsitzender des Stadtentwicklungsausschusses. Eine »stärkere Synchronisierung von Liegenschafts- und Stadtplanungsamt« wünscht sein Kooperationspartner Jörg Frank, der dem Liegenschaftsausschuss vorsteht, um wirksame Anreize für gemeinwohlorientierte Unternehmen zu schaffen. Frank hält günstige Grundstücke und eine Mindestquote von 40-Prozent für Sozialwohnungen auf städtischen Grundstücken für notwendig.

Neue Bodenpolitik

Guido Spars ist Professor für Architektur an der Uni Wuppertal und berät die Bundesregierung. Er ordnet die Kölner Idee in eine bundesweite Debatte um eine »Neue Bodenpolitik« ein. Die »extrem gestiegenen Bodenpreise« hätten ein Umdenken nötig gemacht. Kommunen hätten immer schon abwägen müssen, ob sie Grundstücke nutzen, um durch deren Verkauf Einnahmen zu erzielen oder um stadtentwicklungspolitische Ziele zu verfolgen. Bislang seien die Einnahmen wichtiger gewesen, sagt Spars. »Aber das dreht sich im Moment. Erbpacht erlebt ein Revival.« Er gibt aber zu bedenken, dass die passenden Investoren gefunden werden müssten.

Die GAG stehe Erbpacht »grundsätzlich positiv« gegenüber, sagt Vorstand Uwe Eichner, wenngleich er bemerkt, dass der Bodenpreis entscheidend sei. Die Finanzierung werde wesentlich aufwändiger, gerade für kleinere Investoren. Eine neue Berechnungsart für den Grundstückswert, wie Dezernentin Blome vorschlägt, sieht Eichner skeptisch. Jetzt schon fließe in die Preisfindung ein, was auf dem Grundstück gebaut werden dürfe. Eichner bezweifelt, dass die Höhe der Miete auf derart lange Zeit rechtssicher vorgeschrieben werden könne. Für Sozialwohnungen gilt häufig eine Höchstgrenze von 20 bis 25 Jahren, die freiwillig verlängert werden kann. Blome verweist auf ein aktuelles Gerichtsurteil, das mehr Spielraum ermögliche.

Für die Aachener Siedlungs- und Wohnungsgesellschaft indes ist Erbpacht ein vertrautes Instrument, das oft auf Grundstücken im Besitz von Kirchengemeinden zum Einsatz komme. Finanzierung und Pachtzinsen zwischen 1,5 und vier Prozent sind für das Unternehmen mit kirchlichem Hintergrund offenbar kein Problem. Man nehme wahr, dass das Thema bei Kommunen wie Köln Aufwind erfahre, sagt eine Sprecherin. Die Gesellschaft sicherte sich jüngst ein Grundstück im Baugebiet Sürther Feld. Dort sollen 50 Prozent Sozialwohnungen, 30 Prozent preisgedämpfte Wohnungen und zwei integrative Wohngruppen entstehen. Noch seien die Bedingungen nicht optimal, so die Sprecherin. Man betrachte das Vorhaben aber als Pilotprojekt. Offenbar kann sich das Unternehmen gut vorstellen, weitere Grundstücke in Köln zu bebauen.