Männer am Rande des Nervenzusammenbruchs: Kyle Marvin, Michael Angelo Covino

The Climb

Michael Angelo Covino erfindet die Buddy-Komödie neu

Ziemlich beste Freunde: der eine, Mike, ist sportlich und drahtig, dem anderen, Kyle, geht ziemlich schnell die Pumpe. Gerade radeln die beiden auf einen Berg an der Côte d’Azur. Karge Landschaft, herrliche Aussicht. Das mit den Radausflügen »könnte unser Ding werden«, ruft Kyle außer Atem, aber enthusiastisch — vielleicht kommt das Hochgefühl auch daher, dass er bald heiraten will. Die Frau fürs Leben. Eine, die ihn annimmt, wie er ist — glaubt er zumindest. »Ich habe mit ihr geschlafen«, kommt es Mike plötzlich über die Lippen. »Ich bring’ dich um«, schreit Kyle. Blöde Sache: Gerade geht es hart aufwärts. Da hat Mike die Nase vorn. Auftakt zu einer Komödie der Irrungen und Peinlichkeiten. Die Kamera hält gnadenlos drauf.

Mike und Kyle, das sind Michael Angelo Covino und Kyle Marvin, die Drehbuchautoren dieser schwarzen, existenzialistischen Komödie, Covino hat zudem noch Regie geführt. Die beiden schonen sich vor der Kamera kein Stück, zum Vergnügen des Publikums. Natürlich heiratet nicht Kyle, sondern Mike die besagte Frau. Die dann aber binnen kurzer Zeit zu beerdigen ist. Kyle wird schlank, Mike wird dick. Kyle findet Zuflucht bei einer Highschool-Liebe, auf die wenig Verlass scheint. Mike stürzt völlig ab. Die Abfolgen von Entfremdung und Erneuerung einer Freundschaft: ein Kreislauf der Katastrophen und Demütigungen, ein Aufschlagen im Rinnstein des Lebens auf der Suche nach ein bisschen Glück.

Covin und Marvin treiben böse Scherze mit dem, was sich gemeinhin Lebensplanung, Liebe und Freundschaft nennt. Insbesondere die Belastbarkeit der letzteren stellen sie dabei auf eine harte Probe. Mike ist der Durchsetzungsfähige, Kyle der Nachgiebige, erfolgreich im Scheitern sind beide.

Witze an der laufenden Fahrradkette

Der Tonfall ist gallig, die ästhetischen Mittel werden konzentriert eingesetzt: die dem Alltag abgeschauten, wunderbar ins Absurde verschobenen Dialoge, das Timing, der Schnitt, das beiläufige, aber hochkonzentrierte Ballett der Figuren mit der Kamera, der kommentierende Soundtrack und surreal aufblitzenden Momente — das alles sitzt und surrt so effizient wie eine gut geschmierte Fahrradkette bei der Fahrt bergab.

»The Climb« ist dabei keine Buddy-Comedy über ewige Kind-Männer im US-Comedy-Stil, sondern eher das, was entstehen könnte, würde Comedy-Mastermind Judd Apatow das Motiv- und Formenrepertoire der lakonischen französischen Komödie plündern. Dass Mike an einer Stelle wie ein getretener Hund Zuflucht in einer frankophilen Kinemathek sucht, ist kein Zufall.

Doch wohin führt das alles? Alles nur Amüsement auf Kosten von Menschen, die im eigenen Leben gestrandet sind? Vielleicht, sagen Covin und Martin mit ihrem Film, ist das mit der Liebe und dem Heiraten, mit Mann und Frau nur ein großer Irrtum. Vielleicht sind Partnerschaften, Familien, das große Lebensglück heute etwas anderes. Vielleicht drehen wir uns alle im Kreis, und das Glück, nachdem wir streben, lag immer schon zum Greifen nah — ein paar Meter vor dem Rad.

Es ist große Kinokunst mit kleinen Mitteln, wie »The Climb« zu diesem Schluss kommt, wie der Film seine Konstellationen durchspielt, im Scheitern den Erfolg und im Erfolg das Scheitern sieht, und zu welchem Schluss er dabei kommt. Dabei ist »The Climb« verdammt witzig und im Grunde sehr humanistisch. Manchmal will man das Gute, schafft aber das Böse — und stößt inmitten der biografischen Katastrophe auf ein beiläufiges Happy-End.

(dto) USA 2019, R: Michael Angelo Covino, D: Kyle Marvin, Michael Angelo Covino,
Gayle Rankin, 97 Min., Start: 20.8.