Licht und Schatten

Die Stadtrevue macht Touren durch Köln. Ein sommerlicher Spaziergang durch die »Kölner Mischung« führt uns vom Waldlabor zum Lindenthaler Tierpark

Auf dieser gut zweistündigen Tour liegen Schönheit und Schrecken dicht beieinander — jedenfalls, wenn einem die Natur und vor allem die Bäume etwas bedeuten. Start ist das Waldlabor in Marsdorf. Was das ist, wird gleich verraten. Erst einmal muss man sich entscheiden, wie man anreist: am besten mit der KVB-Linie 7 bis zur Haltestelle »Stüttgenhof« und von dort in Fahrtrichtung knapp 150 Meter links runter. Oder man biegt mit dem Auto von der Militärringstraße auf die Bachemer Landstraße ein. Nach 250 Metern kommt links die Einmündung zum Restaurant »Haus am See«, wo man parken kann. Dann von dort zurück auf die Bachemer Landstraße, dort links, und nach ein paar Hundert Metern steht man am Eingang des Waldlabors.

Es ist freilich kein Forschungsgebäude, sondern eine Art Freilichtmuseum der Bäume, ein gut 1200 Meter langer Rundweg entlang heimischer Baumarten und solcher anderer Erdteile, die vor zehn Jahren angepflanzt wurden. Vom geschotterten Weg gibt es immer wieder Abzweige, kleine schmale Umwege auf Rindenmulch, die später auf den Hauptweg zurückführen.

Bei unserer Wanderung für die Stadtrevue haben wir forstwirtschaftliche Kompetenz zur Begleitung. Michael Hundt, städtischer Förster für das gesamte Linksrheinische, hat sich für uns die Wanderung ausgedacht. Natürlich kann Herr Hundt nicht jedes Mal mitkommen, wenn eine Leserin oder ein Leser wandern will. Aber wir können hier erzählen, was Herr Hundt zu berichten hat.

Wandern im Wandelwald

Der Weg durchs Waldlabor beginnt mit dem sogenannten Wandelwald. Entlang des Weges wechseln sich acht Baumarten ab, zunächst in reinem Bestand, dann durchmischt mit der nächsten Baumart, die dann wieder in Reinform und so weiter: Küstentannen, Douglasien, Sandbirken, Vogelkirschen, Elsbeeren, Feldahorn … Es stehen Lehrtafeln am Wegrand, aber am besten hat man ein Bestimmungsbuch eingepackt, es gibt einiges zu entdecken, zumal wenn man vom Schotterweg auch mal auf die Freiflächen spaziert. Auf unserem Gang sehen wir unter anderem einen Graureiher auf der Wiese stehen und eine Weinbergschnecke am Wegesrand. Später ent­decken wir das Gemeine Blutströpfchen, einen schwarz-roten Schmetterling, aber leider auch mal den Braunen Splintholzkäfer, der auf dem Blatt einer Flaumeiche krabbelt. Ursprünglich im tropischen Südosten Asiens daheim, haben Globalisierung und Klimawandel den Käfer nach Marsdorf geführt.

Auch die Bäume im Waldlabor sind Zugereiste. Nach dem Wandelwald werden im nächsten Abschnitt, dem Klimawald, Baumarten getestet, die mit den Hitzesommern besser zurechtkommen als die einheimische Kiefer, Fichte, Buche oder der Bergahorn, die — gestresst durch Hitze und Dürre — von Schädlingen wie Pilzen und Insekten befallen werden.

Von Ferne rauscht die Autobahn, hier die A4 im Westen. So ist das überall im Kölner Wald. Aber wir hören auch Vogelstimmen und sehen vor allem Mehlbeere, Walnuss, Flaumeiche und die Paulownie, auch Blauglocken­baum genannt. Der japanische Baum ist eine kleine Sensation. Er hat herzförmige Blätter, trägt zur Saison eiförmige Kapselfrüchte und treibt rosa-violette Blüten. »Die hat sich hier gegen alle Widrigkeiten behauptet, ein Allroundtalent«, sagt Förster Hundt. Er kann sich vorstellen, die Paulownie im Kölner Wald anzupflanzen, zur Stabilisierung bei den klimabedingten Ausfällen. »Die Mischung ist das wichtigste Mittel gegen das Waldsterben«, sagt Hundt. Monokulturen hingegen seien anfällig, mit der sogenannten Kölner Mischung in den städtischen Wäldern habe man gute Voraussetzung, den Hitzesommern zu trotzen.

Wer mit Hundt spaziert, kommt irgendwann auf Peter Wohlleben zu sprechen, den Bestsellerautor, dessen Bücher über den Wald das forstwirtschaftliche Verständnis vieler Laien prägen. »Herr Wohlleben hat zu achtzig Prozent recht, auch wenn ich das meiste nüchterner ausdrücken würde als er«, sagt Hundt. »Aber man muss in einen Wald auch eingreifen, pflegend und steuernd, und Holz ist auch ein Rohstoff.«

So wie im »Energiewald«, einem weiteren Bereich des Waldlabors. Das ist ein heikles Thema für Baumfreunde, denn was hier angepflanzt wird, wird alle paar Jahre geerntet. »Holz als nachwachsende Energiequelle«, sagt Hundt. Schnell wachsende Bäume wie Schwarzpappeln und Korbweiden werden zu Holzhackschnitzeln verarbeitet, um sie für Wärme- und Stromgewinnung zu gebrauchen. Laub und Wurzel bleiben erhalten. »Wir arbeiten in diesem Abschnitt trotz intensiver Nutzung nachhaltig«, sagt Hundt.

Mischwald als Erlebnis

Statt am Ende des Rundgangs noch in den Wildniswald einzubiegen — ein Muss für Peter-Wohlleben-Fans —, endet unser Spaziergang an einem Haferfeld. Dort verlassen wir das Waldlabor und biegen nach ein paar Metern links dann rechts in den Mischwald ein, angelegt vor rund sechzig Jahren nach den Maßgaben der sogenannten Kölner Mischung. »Hier stehen rund 30 Baumarten«, sagt Hundt. »Na ja, nicht mehr alle, die Nadelholzgruppen hat der Käfer geholt.« Es sieht wildwüchsiger, echter aus als im Klimawald. Hier sind die Bäume höher, es ist dunkler und kühl unter einem grünen Laubdach. Nach ein paar Metern bleibt Hundt stehen, zeigt auf den dicken Stamm einer alten Buche. »Die ist nur so groß, weil wir ihr geholfen haben«, sagt Hundt. Das bedeute, man nehme als Förster die konkurrierenden Bäume weg, damit sich andere durchsetzen.

Wir biegen in den Abzweig nach links ein. Es ist mindestens so abwechs­lungsreich wie im Waldlabor: Da gibt es die seltene Schwarznuss, aber auch vom Sturm umgefallene Bäume und einzelne gefällte Bäume, weil sie auf den Weg zu kippen drohten. Nicht alle sind damit einverstanden, sagt Hundt, aber es gebe eben die Verkehrssicherungspflicht. Dann die Gespinstmotten: Sie umhüllen ein Pfaffenhüttchen. Der Strauch macht einen trostlosen Eindruck. »Aber das ist erst mal nicht lebensbedrohlich«, sagt Hundt. »Nur wenn der jedes Jahr kahlgefressen würde. Man darf das nicht mit dem Eichenprozessionsspinner verwechseln.«

Nach etwa einem halben Kilometer überqueren wir die Bachemer Landstraße und gehen weiter den Weg, der nun in einer weiten Rechtskurve auf einen anderen Weg mündet. Dort biegen wir links ab und überqueren nach wenigen Metern die Stadtbahnline 7.

Am Ursprung Kölns

Hier ist alles anders. Wir blicken über eine weite, sanfte Landschaft. Vor knapp 7000 Jahren wohnten hier die ersten Kölner. Sie ritzten Zickzackbänder auf ihre Tongefäße, heute sind sie bei Historikern als Bandkeramiker aktenkundig. Insgesamt gab es fünf Siedlungen, die Entdeckung gehört zu den großen Momenten der europäischen Jungsteinzeit-Forschung. Heute ist davon aber kaum noch etwas zu sehen, bloß ein Findling. Man sieht größere Baumgruppen, die in den 60er Jahren angepflanzt wurden — ein Arboretum mit vielen seltenen, darunter ausländischen Baumarten.

Wir wenden uns nach rechts, nach Osten, entlang der Stadtbahntrasse. Was aussieht wie ein ausgetrocknetes Flussbett, ist der vor kurzem renaturierte Lauf des Frechener Bachs. Er führt allerdings nur bei starkem Regen Wasser, die Quelle ist längst versiegt. Wir folgen dem Weg, der sich zunächst nach links windet. »Das ist hier was für versierte Dendrologen«, sagt Hundt. Neben den zwanzig beschilderten Bäumen und Sträuchern des Arboretums, gibt es viel mehr Arten. »Hier steht auch die Pimper­nuss«, sagt Hundt. Zeit für unsereins, das Bestimmungsbuch aus dem Rucksack zu holen, aber man braucht schon ein dickes, um sie verzeichnet zu finden — eine Rarität. »Den Strauch hab ich sonst nirgends im Revier«, sagt Hundt.

Rechts steht eine Schwarzerle allein auf freiem Feld. Dann geht es in ein kleines Waldstück und nach einer Rechtsbiegung gelangen wir an die Dürener Straße, die wir überqueren und geradeaus weitergehen. Der Weg verläuft parallel zur Militärringstraße. Nach gut 350 Metern schwenken wir halbrechts ein, das Krisengebiet beginnt: Eine gut hundertjährige Rotbuche hat nur noch ganz oben einen grünen Ast, der Rest ist tot, ein morbider Anblick. Pilzbefall, »Buchenkomplexkrankheit«. So geht es auf wenigen Metern weiter. Wir passieren nun eine Fußgängerbrücke über die Militärringstraße und sind im Stadtwald.

Hier gelangen wir auf die Marcel-Proust-Promenade, überqueren sie, passieren rechterhand eine alleinstehende Rosskastanie, der es noch gut geht. Dahinter aber stehen Bäume, die schon Grünäste abwerfen, so krank seien sie, sagt Hundt.

Unser Weg schwenkt nach links, nach 150 Metern scharf nach rechts und nach weiteren 300 Metern sind wir am Westeingang des Lindenthaler Tierparks, unserem Ziel. Angeblich wohnen hier rund 250 Tiere, etwa die Westafrikanische Zwergziege — ganz süß — und das Soayschaf, dass die Wolle abwirft und ziemlich zerrupft aussieht, was ihm freilich die blöde Handy-Knipserei vieler Besucher erspart. Außerdem natürlich Esel, Damwild, Ziegen und Schafe. Und auch wenn Geflügel bei Besuchern nicht so hoch im Kurs steht, lohnt es sich nach den Brahmahühnern Ausschau zu halten, die irgendwie aussehen, als trügen sie 70er-Jahre-Schlaghosen.

So groß die tierische Vielfalt hier erfreuen mag, der Baumbestand ist in erbärmlichem Zustand. Der Klimawandel macht hier nicht Halt. Viele breite Baumstümpfe zeugen davon, dass auch hier der Verkehrssicherungspflicht nachgekommen werden musste. Einige Borken tragen schon den Schrägstrich.

So liegen hier, wie auf unserer gesamten Tour, Licht und Schatten, Schönheit und Ernüchterung dicht beisammen. Vom Lindenthaler Tierpark geht man nach Süden und man kann an der Dürener Straße mit der Linie 7 zurück zur Station »Stüttgenhof« am Waldlabor fahren — oder man geht den Weg zu Fuß wieder zurück

Spaziergang
Start: Linie 7 (H) Stüttgerhof
Ziel: Linie 7 (H) Brahmsstraße
Länge: ca 4,5 km

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