Rätselhaftes Wasserwesen: Paula Beer

Undine

Christian Petzold taucht ab in die Mythenwelt der deutschen Romantik

»Stayin’ Alive«, der Song von den Bee Gees, ist so etwas wie das Mottolied von Christian Petzolds »Undine«. Ein Disco-Hit, einigermaßen unbeschwert, der zunächst gar nicht recht passen will zu den aufgeräumten, ordentlichen Einstellungen, aus denen der Film immer wieder gebaut ist: ruhig daliegende Gewässer und Provinz-Bahnhöfe um Wuppertal, nächtliche Blicke über Berlin, aufgenommen aus einem Hochhaus.

»Stayin’ Alive«, hastig genuschelt von Christoph, als er Undine nach einem gemeinsamen Tauchgang wiederbeleben muss, beinhaltet beides: den drohenden Tod genauso wie den Kampf, ihm zu entrinnen. Zwei entgegengesetzte und sich gleichsam aufeinander beziehende Kräfte, die ihr Zentrum in Undine (Paula Beer) finden. Undine, dem Namen nach ein Wesen aus der Welt der Sagen und Mythen, eine Nixe, die jeden Mann tötet, der es nicht schafft, ihr die Treue zu halten. Bei Petzold arbeitet die Wasserfrau als Historikerin in der Berliner Senatsstelle für Stadtverwaltung und referiert unter anderem über das Stadtschloss. Das Haar trägt sie rot und lockig, ihr kleines Apartment wirkt akkurat und unpersönlich. Bis der Industrie­taucher Christoph (Franz Rogowski) ihre Nähe aufsucht. Mit ihm kommen die Bee Gees in ihr Leben und ein Rotweinfleck an die Wand. Mit ihm kommt die Liebe.

Eine Liebe, so stark und unwirklich und plötzlich, dass nicht nur Aquarien durch sie zerbersten, sondern auch der Fluch, der in Undine wohnt, unterbrochen scheint. Eigentlich wäre Johannes (Jacob Matschenz) von ihm betroffen gewesen, der Undine zu Beginn verlassen hatte. Doch mit dem buchstäblichen Auftauchen von Christoph ist dessen Leben geschützt. Oder nicht?

»Undine« soll der Auftakt einer Trilogie von Petzold über die deutsche Romantik und ihre Elementargeister sein. Die Geschichte, die er hier erzählt, ist bemerkenswert einfach. Sieht man von den manchmal umständlichen Formulierungen ab, mit denen die Historikerin Undine den Wiederaufbau des Berliner Stadtschlosses tadelt, dann hat man es mit einem transzendenten Liebesmelodrama zu tun. In ihm werden Tote wieder lebendig und Telefonate ins Jenseits unternommen, es wird mit monströsen Welsen geschwommen und Herzschläge telegrafieren eine Botschaft. Christian Petzold, lässt seine Figuren auf ebenso unschuldige wie fatale Weise die vagen Ränder des Evidenten überschreiten. Ihnen dabei zuzusehen, ist märchenhaft schön.

(dto) D/F 2020, R: Christian Petzold, D: Paula Beer, Franz Rogowski, Maryam Zaree, 89 Min.