»Blasted«, Foto: Ilya Shagalov

Die perfekte Beschreibung der Hölle

Vor 25 Jahren löste das Debüt der britischen Autorin Sarah Kane einen Skandal im britischen Theater aus

»Ich war schon nobler scheißen als hier.« Mit diesem Satz beginnt »Blasted«, das Debüt der Autorin Sarah Kane, das vor genau 25 Jahren Premiere feierte. Über Nacht löste es einen der größten Skandale in der Geschichte des britischen Nachkriegs-Theaters aus. »Bring back the censor!«, forderten Zeitungen, und in der Daily Mail bezeichnete der renommierte Theaterkritiker Jack Tinker das Stück als »ein widerliches Fest des Schmutzes«.

Sarah Kane, damals gerade 23 Jahre alt, erzählt in »Blasted« die Geschichte des krebskranken Journalisten Ian, der seine frühere Geliebte Cate in einem luxuriösen Hotelzimmer in Leeds zum Sex überreden will. Als sie sich weigert, vergewaltigt er sie. Dann bricht die Form des Stücks, Krieg herrscht im Land. Das Hotel wird bombardiert und ein bewaffneter Soldat dringt in das Hotelzimmer ein. Er erzählt Ian von den grausamen Verbrechen, die er begangen habe, er vergewaltigt ihn und saugt ihm die Augen aus. »Es war das Schockierendste, was ich je gesehen habe«, erklärte ein Besucher, der den Theatersaal während des Stückes verließ, gegenüber dem Guardian.

Tatsächlich überreizte »Blasted« die Brutalität bis ins Ironisch-Lakonische. Körperliche Verstümmelungen nahmen Ausmaße an, wie sie sonst in den Höllendarstellungen mittelalterlicher Kirchenfresken zu finden sind. Was Kane auf diese Weise erreichen wollte? Ein Ende der Apathie, mit der Menschen tagtäglich gewaltvolle Bilder im Fernsehen konsumieren. Für sie spiegelten die aufgebrachten Medienreaktionen nur die Wut des weißen, männlichen Journalisten mittleren Alters wider, der es nicht gewohnt sei, dass eine Frau so offen und schonungslos über sexualisierte Gewalt schreibt. »Dass etwas nicht gezeigt werden darf, heißt auch, dass darüber nicht gesprochen werden darf. Man verleugnet seine Existenz«, sagte Kane nach der Premiere.

Bis 1999 schrieb Sarah Kane vier weitere Stücke, allesamt rau, grausam und voller Gewalt — und dennoch triumphiert in ihnen auf fast naive Weise die Menschlichkeit. »Ich habe immer geschrieben, um der Hölle zu entkommen und es ist nie gelungen«, sagte sie wenige Monate vor ihrem Suizid. »Aber wenn du dann da sitzt und merkst, dass dies die perfekte Beschreibung der Hölle ist, hat es sich vielleicht dennoch gelohnt.«