»Die kleine Verkäuferin der Sonne« von Djibril Diop Mambéty

Geschichten von kleinen Leuten

Die Afrika Film Tage beschäftigen sich mit dem Werk des senegalesischen Regisseurs Djibril Diop Mambéty. Er gilt als einer der Begründer des postkolonialen afrikanischen Kinos

Was hat es mit dem Mann auf sich, der durch die Straßen irrt und eine Tür auf der Schulter trägt? Das könnte der Ausgangspunkt von »Le franc« gewesen sein: eine bizarre Alltagsbeobachtung, um die herum eine Geschichte gesponnen wird. Der Mann, das ist der arbeitslose Musiker Marigo. Mit seinem Chaplin-Hut und den Hosenträgern über dem roten Shirt hat er etwas von einem Stummfilmkomiker, einem tragikomischen Rumtreiber, der sein Leben lang mit dem falschen Bein zuerst aufgestanden ist. Jetzt ist ihm das Schicksal einmal gnädig gesonnen, und er macht doch wieder alles falsch: Marigo hat im Lotto gewonnen, aber das Gewinnerlos auf seine Tür tapeziert, damit es nicht verloren geht. Nun bekommt er es nicht mehr vom Holz heruntergeschabt, will sein potentielles Vermögen aber auch nicht aus den Augen verlieren. Deshalb muss ihn die Tür überall hin begleiten.

Aufklärerische Bilder über den Kapitalismus

Das Glücksversprechen, das zur Last wird und dich zum Clown macht: ein schönes Bild, das einiges erzählt über den Wirkungsmechanismus des Kapitalismus — längst nicht nur in Afrika. Der Regisseur von »Le franc«, der Senegalese Djibril Diop Mambéty, hatte ein Talent für solche sprechenden Bilder. In seinem berühmtesten Film »Touki Bouki«, einem Schlüsselwerk der afrikanischen Kino-Avantgarde, findet sich zum Beispiel eine Szene, in der ein Mann und eine Frau auf einem Motorrad unterwegs sind, auf dessen Lenkstange ein Zebu-Schädel mitsamt weit ausladenden Hörnern montiert ist. Eine kraftvolle Metapher für das Unbehagen gegenüber der Moderne, die jüngst in einem komplett anderen Kontext aufgegriffen wurde: Im Promomaterial für ihre »On the Run II«-Welttournee posieren Beyoncé und Jay-Z in »Touki Bouki«-Manier ebenfalls auf einem gehörnten Motorrad.

Eine spektakuläre popkulturelle Wiederaneignung, die Fragen aufwirft: Was passiert mit dem Motiv, wenn nicht mehr, wie bei Mambéty, zwei arme westafrikanische Trickster, sondern zwei amerikanische Megastars auf dem Motorrad sitzen? Mati Diop zum Beispiel, Mambétys Nichte und inzwischen ihrerseits eine erfolgreiche Regisseurin (»Atlantique«, 2019), war von der Aktion wenig begeistert. Als »gleichzeitig deprimierend und faszinierend« bezeichnet sie den »Touki Bouki«-Starschnitt in einem Interview.

Depression und Faszination — nicht die uninteressanteste Kombination, und sie beschreibt auch die Filme von Diops Onkel ziemlich gut. Mambéty, einer der Gründerväter des postkolonialen afrikanischen Kinos, hat zwischen seinem Debüt »Contras’city — City Of Contrasts« aus dem Jahr 1968 und seinem Tod 1998 lediglich zwei lange und fünf mittellange Filme realisiert — ein schmales Werk, das es in sich hat. Die Afrika Film Tage widmen ihm im September ein kleines Special. Zu sehen sind weder »Touki Bouki« noch der zweite Langfilm »Hyènes«, eine faszinierende freie Dürrenmatt-Adaption. Dafür nähert sich das Festival dem Werk über zwei kürzere Arbeiten aus den 90er Jahren. Gezeigt werden die ersten beiden Teile einer unvollendet gebliebenen Trilogie mit dem Titel »Geschichten von kleinen Leuten«.

Neben »Le franc« läuft »La Petite Vendeuse de Soleil«. Er handelt von einem jungen Mädchen, das sich nur mit Hilfe von Krücken fortbewegen kann, sich aber vorgenommen hat, in eine Jungsdomäne vorzudringen: den Straßenverkauf von Zeitungen. Die Aufbruchstimmung der ersten Jahre der Dekolonisierung, die in »Touki Bouki« in jedem einzelnen Bild spürbar ist, ist in diesen Filmen verschwunden. Die Moderne hat die alte Lebensweise zerstört und viel Ungleichheit gebracht. Zwischen Wellblechhütten ragen obszön anmutende Hochhäuser mit spiegelglatten Fassaden in den Himmel. Mambéty bleibt bei den Wellblechhütten und den »kleinen Leuten«, die sich von den widrigen Verhältnissen nicht unterkriegen lassen. Die Depression überwinden, auf die Straße hinaus treten und an das noch so unwahrscheinliche Glück glauben: Das ist der gemeinsame Ausgangspunkt zweier wunderschöner, von den Farben und Klängen der westafrikanischen Gegenwart durchpulster Kinofantasien.

Afrika Film Festival/Afrika Film Tage
Das Afrika Film Festival existiert seit 1992, organisiert von FilmInitiativ Köln e.V. Die Filmreihen, Vorträge und Seminare sollen auch politische Diskussionen anregen — mit Filmen abseits des üblichen Kinoprogramms, die den Fokus auf das Schaffen außereuropäischer Filmemacher*innen legen. In diesem Jahr präsentiert das Organisationsteam vom 17. bis 24. September ein abgespecktes Angebot unter dem Titel Afrika Film Tage — und verspricht »eine auf Corona-Bedingungen abgestimmte sichere Veranstaltung« im Filmforum des Museum Ludwig. Es wird diesmal kein Schwerpunktthema geben wie in den Jahren zuvor, wohl aber herausragende aktuelle Filme und interessante Gäste.
Mehr Infos zum Programm:
afrikafilmfestivalkoeln.de