Die Tür zum Fraktionsraum der AfD

»NRW ist kein gutes Pflaster für rechte Parteien«

Der Politikwissenschaftler Alexander Häusler denkt, dass sich die Krise der AfD durch die Kommunalwahl noch verschärfen wird

Herr Häusler, welche Rolle spielt die Kommunal­wahl für die AfD in Nordrhein-West­falen?

Die Kommunalwahl spielt für die AfD eine besondere Rolle, weil die Gesamtpartei sich gerade in starken Turbulenzen befindet. Sie verliert in den Umfragen, intern findet ein Machtkampf statt zwischen dem rechtsextremen »Flügel« und denjenigen, die die Partei gerne nicht mehr im Verfassungsschutzbericht erwähnt hätten. Rüdiger Lucassen, der Vorsitzende der AfD NRW, gehört zur letzten Gruppe und möchte die Partei gerne einigen. Welches Ergebnis der größte Landesverband mit diesem Kurs bei den Wahlen erzielt, strahlt deshalb auf die weiteren Konflikte innerhalb der Partei aus.

Wie mobilisiert die AfD in diesem Wahlkampf?

Die AfD in Köln hat einen Monat vor der Wahl noch kein eigenes Wahlprogramm vorgelegt, sondern orientiert sich am Programm des Landes­­vorstands. Dort findet man die typischen Rechts­außen-Wahlkampfthemen: gegen kommunalen Klüngel und Altparteien, gegen angeb­lichen Sozialmissbrauch durch sogenannte Roma, eine »AbschiebungsInitiative 2020«. Diese Themen werden mit explizit Grünen-feindlichen Positionen angereichert, die den Klimawandel in Frage stellen. In Köln kommt noch eine Kampagne gegen »Linksextremismus« hinzu, womit die AfD etwa das Autonome Zentrum meint, aber auch Proteste gegen sich selbst. Der Hintergrund sind die Bündnisse gegen Rechts, die der AfD in Köln das Leben schwer machen und deshalb von der Partei zum Feindbild erklärt werden.

Auf diese Bündnisse sind die Kölner ja auch sehr stolz. Wie wichtig sind sie denn?

Der vielbeschworene Kölner Konsens gegen Rechts bildet selbstverständlich nicht die gesamte Wirklichkeit ab. Bestimmte Milieus werden damit nicht erreicht, das sieht man auch in den Wahlergebnissen der AfD jenseits des Gürtels. Da wäre zu überlegen, wie man diese Menschen einbindet. Das ist die eine Seite des Ganzen. Auf der anderen Seite findet die Auseinandersetzung mit Rassismus und Rechtsextremismus sehr stark auf der symbolischen Ebene statt. Da ist es wichtig, einen moralischen Konsens gegen Rechts zu haben, um einer Normalisierung rechter Positionen, die wir etwa in Ostdeutschland beobachten, entgegenzuwirken. Deshalb sind solche Initiativen nicht zu unterschätzen.

In Köln ist die AfD bei ökonomisch prekären Menschen in Chorweiler oder Porz erfolgreich, aber auch im ökonomisch gut situierten Bürgertum. Wie bringt die Partei deren gegensätzliche Interessen zusammen?

Die Rechtsextremismusforschung erklärt sich das damit, dass auch die Mittelschicht polarisiert ist: Einerseits haben wir ein liberales, weltoffenes Milieu, andererseits ein Milieu, dem es zwar objektiv gut geht, das sich aber vom Abstieg bedroht sieht und klassischen rechten Themen wie Globalisierung, Zuwanderung und Kritik an der EU zugewandt ist. Die AfD bedient ihre Klientel mit zwei gegensätzlichen Politikansätzen, die nicht kongruent sind: einerseits ein staatsfeindliches, marktradikales Wirtschafts- und Sozialkonzept für die Mittelschicht, anderseits einen völkischen Sozial­populismus für prekäre Milieus, der sagt, dass für »uns Deutsche« nicht genügend getan wird. Und mit dieser widersprüchlichen Propaganda schafft es die AfD, diese unterschiedlichen Wähler­schichten anzusprechen.

Im Rat der Stadt Köln setzt die AfD überwiegend auf Verweigerung — mit sinnlosen Anfragen und Anträgen, bei denen sie sich nicht um eine Mehrheit bemüht. Hat diese Taktik auf die Dauer Erfolg oder »entzaubert« sie sich damit?

Das ist eine zweischneidige Sache, denn dieses Verhalten kann sich totlaufen, so wie wir es bei Pro Köln erlebt haben. Bislang hat die AfD nicht gezeigt, dass sie realpolitisch handlungsfähig ist oder gar den Willen dazu bewiesen. Aber dennoch reicht es bislang aus, konfliktreiche oder angstbesetzte Themen weiter populistisch zuzu­spitzen. Es gibt eine Wählerschaft, die dafür empfänglich ist und durch permanente Eskalation auch weiterhin erreicht wird, selbst wenn die AfD realpolitisch keine Veränderungen erreicht hat.

Zum Schluss ein Blick in die Glaskugel: Mit welchem Wahlergebnis für die AfD rechnen Sie bei den nächsten Kommunalwahlen?

Der Trend verfestigt sich, dass die AfD zu einem neuen Sammel­becken für das gesamte Rechtsaußen-Spektrum wird und das auf Kosten anderer rechter Gruppierungen. Anderseits ist NRW kein gutes Pflaster für rechte Parteien. Der AfD-Landesvorsitzende Rüdiger Lucassen hat zweistellige Wahlergebnisse als Ziel ausgegeben. Das wird voraussichtlich nicht eintreten. Es gibt Tendenzen, dass sie mancherorts unter fünf Prozent rutschen könnte. In vielen Kommunen konnte sie auch nicht alle Listenplätze besetzen, weil die Kreisverbände zerstritten sind. Das wird die Position von Lucassen in der notorisch zerstrittenen NRW-AfD nicht unbedingt stärken.

Alexander Häusler ist Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Forschungsschwerpunkt Rechtsextremismus und Neonazismus der Hochschule Düsseldorf