Keimarbeit

Corona und Klimakollaps zeigen die Fehler unseres Wirtschaftens. Auf die Weltwirtschaft bezogen, ist das eine Binse. Doch es betrifft auch die Hauswirtschaft. Das Haus, der oikos, als kleinste ökonomische Einheit, ist der Nahbereich, für den wir verantwortlich sind: Was kaufen wir ein? Was stellen wir selbst her? Wie lagern und verarbeiten wir? Und was brauchen wir überhaupt?

Auch die Hygiene gehört zur Hauswirtschaft. Sie gewinnt in dieser doppelten Krise an Bedeutung. So ermahnt die Stadt Köln nicht mehr nur zu Handhygiene und Atemschutz. Sondern, wie Ende Juli, auch dazu, die Kühlkette nach dem Einkauf nicht zu unterbrechen. Salmonellen breiten sich bei 26 Grad Celsius etwa im Auto bereits nach zehn Minuten aus. Dass solche Hinweise nötig sind, zeigt, mit welchem Desinteresse wir hauswirtschaftlichem Wissen begegnen. Nicht nur die Lagerung, auch die Zubereitung von Obst, Gemüse, Käse, Fisch und Fleisch geschieht intuitiv. Aber Intuition ist schon angesichts Corona ein schlechter Ratgeber. Wenn die epidemischen und klimatischen Krisen anhalten, wofür einiges spricht, muss sich unser Bewusstsein ändern. Wer kennt schon den Hinweis des städtischen Amts für Verbraucherschutz, Tiefkühlkost nur im Kühlschrank aufzutauen?

Die Unterweisung im Führen eines Haushalts war einmal im schulischen Curriculum verankert. Weil sich das Fach vornehmlich an Frauen richtete, geriet es in den späten 60er Jahren in die Kritik. So berechtigt das war, so falsch war es, Hauswirtschaft ganz zu verdammen. Eine emanzipierte Lehre ist ja möglich, sie wird auch längst praktiziert — nur halt nicht verbindlich an Schulen. Dass so wenige Menschen sich gesund ernähren und selbst kochen können, das hat auch damit zu tun.

Seit der Pandemie gehört mancher Lieferdienst zu den Gewinnern. Ein Zeichen, dass auch Menschen mit gutem Einkommen nicht immer selbst kochen, sondern sich nur statusorientierter ernähren. Und dass gerade armen Menschen der Mund mit überteuertem Junkfood wässerig gemacht wird, ist eine zynische Pointe des Kapitalismus. Hauswirtschaftliches Wissen, etwa auch, wie man sich sparsamer oft sogar besser ernähren kann, das wäre eine Aufklärungskampagne gegen die kulinarischen, gesundheitlichen und ökologischen Zumutungen. Jeder Eintopf, der selbst zubereitet wird, ist Selbstermächtigung — ein Akt des Widerstands.

Bernd Wilberg ist Redakteur der Stadtrevue. Seitdem er penibel auf die korrekte Befüllung des Kühlschranks achtet, muss er lange vor der geöffneten Tür suchen. Schlecht fürs Klima! Der nächste Kühlschrank braucht eine Glastür.