Gemixt mit der Ernsthaftigkeit von Apothekerinnen: Der Drink mit den Tapioka-Kugeln ist zurück

Die zweite Welle

Bubble Tea — der Trend schien längst vorbei, doch nun ist das bunte Getränk zurück

Schon einmal, vor rund zehn Jahren, erlebte das Getränk in Deutschland eine steile Karriere: An jeder zweiten Ecke eröffnete damals ein Bubble-Tea-Laden. Doch bald schon gab es nicht mehr nur Fans, sondern auch zahlreiche Bedenkenträger. Sie warnten vor den vielen Kalorien und der Erstickungsgefahr. Der Hype war vergleichsweise schnell vorbei — und ist jetzt mit neuem Schwung zurück, im Marketing nun irgendwo zwischen Wellness und Achtsamkeit angesiedelt.

In Südostasien kann man diese Aufregung vermutlich nicht nachvollziehen. Dort ist das aus Taiwan stammende Getränk, das in der klassischen Version aus kaltem Tee, Milch und kleinen Kugeln aus Tapioka-Stärke besteht, nie weg gewesen. Das ist vermutlich auch der Grund, warum der Bubble-Tea-Hotspot in Köln nach wie vor rund um den Dom liegt. Denn obwohl keine Reisebusse mehr halten, ist hier die Stammkundschaft nach wie vor am höchsten.

Vor dem »One Zo«, einem kleinen Laden zwischen einem Koffergeschäft und dem Gasthaus Lederer, das mit dem Slogan »Typisch für Köln« wirbt, stehen junge Menschen und warten. Die Digitalanzeige neben der Eingangstür zeigt leuchtend rot »044«. Fahrräder und Velotaxen brettern durch die schmale Gasse. Eine Frau tritt vor die Tür und ruft durch ihren Mundschutz: »Vierundvierzig, fünfundvierzig, sechsundvierzig.« Drei Teenager mit Zara-Einkaufstüten zucken zusammen, aber noch sind sie nicht an der Reihe. »First Handmade Bubble in the World« steht auf dem Plakat im Schaufenster. Weitere Kunden reihen sich in die Schlange ein, manche sind offensichtlich Reisende auf Europatour, wie etwa die Baumwolltasche mit dem Aufdruck »Rijksmuseum« erahnen lässt. Von drinnen klingen Geräusche eines Mixers nach draußen. Dann kommt ein Mann heraus, und die Anzeige springt auf »047«. Er ruft nichts, die Jugendlichen von vorhin erkennen ihre Bestellungen auch so. Durchsichtige Plastikbecher mit flieder- oder orangefarbenem Inhalt, oben mit einer dünnen Folie verschlossen. Dazu gibt es dicke Strohhalme aus transparentem Plastik. Ein Flyer informiert über das Angebot:  »Alle Getränke sind frisch hergestellt, vielen Dank für Ihre Geduld« steht oben rechts. Die eine Seite listet die erhältlichen Tees — schwarz, grün oder Oolong, mit Milch und/oder Fruchtaroma, außerdem Milchshakes und sogenannte Dirty-Serien, bei denen Milch und Sirup

Bei »Dirty«-Serien erzeugen Milch und Sirup einen besonderen optischen Effekt

einen besonderen optischen Effekt erzeugen. Alle milchhaltigen Getränke gibt es wahlweise auch mit laktosefreier oder mit Sojamilch in Bio-Qualität. Auf der Rückseite des Flyers sind die Bubbles gelistet: Variationen in Honig, braunem Zucker, Mango oder lila Kartoffel, außerdem Gelees, Mousse-Sorten und sogar Pudding. Die Mitarbeiterin empfiehlt Grünen Tee mit Litschi-Aroma und Mango-Perlen für 4,20 Euro als kleine Portion — der Einstieg ins Bubble-Tea-Universum. Oder auch »Boba«, wie die Fachleute sagen. Der Tee schmeckt leicht süß, die Perlen sind nicht die erwartete Kunstaromen-Explosion, sondern kleine zähe, süßliche Kugeln aus Tapioka, aus der Maniokwurzel gewonnene Stärke.

Auch vor dem »Beauty Tea«, in unmittelbarer Nachbarschaft auf der anderen Seite der Komödienstraße, bestellt man drinnen und wartet draußen. Hinter der Theke mischen junge Frauen in weißer Kleidung mit der Ernsthaftigkeit von Apothekerinnen die Zutaten zusammen. Auf dem Platz vor dem Lokal herrscht geduldige Ermattung, die jüngere Kundschaft sitzt auf dem Boden oder den Stufen der Kirche St. Andreas und harrt der Dinge. Ein junges Mädchen zieht glücklich mit einem schlumpfblauen Getränk von dannen, ein paar Jungs beschießen sich mit übriggebliebenen Bubbles.

Die Filiale von »Yo Tea« befindet sich im Untergeschoss der »Köln Arcaden« in Kalk. Zwischen einer Filiale von McPaper und dem DER-Reisebüro steht eine rechteckige, weiße Theke, davor zwei längliche Tische mit orangefarbenen und grünen Hockern. Hier erinnert das Bubble-Tea-Angebot deutlicher an die Anfangsjahre des Trends. Neben den klassischen Sorten gibt es auch 13 Sorten aromatisierten Tees, von Kiwi über Green Apple bis zu Blueberry. In zahlreichen Behältern liegen die bunten Fruchtperlen in dickflüssigem Sirup, etwa Peach, Lychee oder »Traubengeschmack in zuckerhaltigem Aufguss«, wie ein kleines Schild informiert. An einem der Tische sitzen zwei etwa 15-jährige Mädchen, spielen mit ihren Handys und unterhalten sich abwechselnd auf Deutsch und Arabisch. Hinter der Bar mischt ein Mann die Getränke mit der üblichen Ernsthaftigkeit. Seine Kollegin kassiert, legt die vorbereiteten Becher in eine Rüttelmaschine und schweißt die Deckel auf. Eine vierköpfige Familie wartet auf die Fertigstellung ihrer Bestellung, die kleine blonde Tochter hält ihr »Frozen II«-Puzzle dabei fest umklammert. »Ich hatte das mit der Erdbeere«, sagt ihr Vater.