Social Distancing? I-Fang Wans »Get The Hell Out« und der (Zombie-)Virus

Fantasy Filmfest

Das Programm kommt dem Alltagsszenario nahe — und verspricht gute Unterhaltung

Dieses Jahr ist alles anders: Gerade erst hat man die Fantasy Filmfest Nights hinter sich gebracht, da steht vom 23.–27. September schon das Hauptfestival vor der Tür. Abgespeckt zwar, und dennoch prall mit interessanten Werken. Die Kracher des Programms kommen wieder aus östlichen Regionen — also jenen Kulturen, die hier keinen Kino-Start bekommen werden. Wobei Egor Abramenkos »Sputnik« und I-Fan Wangs »Get The Hell Out« auf die große Leinwand gehören. Ersterer ganz besonders, kommt der doch aus Fjodor Bondartschuks Sphäre, was zumindest massive Schauwerte garantiert, selbst wenn der russische Regisseur von »Die Neunte Kompanie« (2005) oder des 3D-Films »Stalingrad« (2013) nur als Schauspieler und Koproduzent zu Werke ging. Bei allen handwerklichen Qualitäten sollte man sich seinen Arbeiten mit politischer Vorsicht nähern. Wie sein Vater Sergei, einem der Titanen des sowjetischen Films, kultiviert der Sohn eine Nähe zur Obrigkeit, erlaubt sich aber eine gediegene bürgerliche Skepsis. So gesehen ist das Debüt seines früheren Assistenten Abramenko interessant: »Sputnik« erzählt eine klassische Science-Fiction-Horror-Invasionsparabel, die man auf den russischen Einmarsch in die Ukraine 2014 anwenden kann, den Fjodor Bondartschuk unterstützte.

Das Wunderbare am Genrekino: Es lässt und schafft Räume für Zweifel. Zugleich ist es das Populärkultursegment, in dem man vieles am lautesten herausschreien kann. So wie es I-Fan Wang in seiner grell-gescheiten Polit-Satire »Get The Hell Out« tut, wo im taiwanesischen Parlament ein Zombie-Virus grassiert! Die genannten Filme oder die nur so halb durchdachte Pest-Hexenverfolgungs-Allegorie »The Reckoning« von Neil Marshall schauen sich unter den gegenwärtigen Umständen natürlich anders — vor allem, wenn es darum geht, Pandemien zu politisieren. Was man alles durchsetzen kann im Namen der allgemeinen Sicherheit und welche Phantasien da bei jenen eskalieren, die hinter staatlichen Maßgaben den Beginn der nächsten Diktatur sehen. Dann aber bemüht sich die Wirklichkeit darum, die Entführungs- und Folterfamilienängste in Kim Seung-Woos »Bring Me Home« und Vaughn Steins »Inheritance« wahrscheinlich wirken zu lassen. War das Verhältnis zwischen Horrorfilm und Alltag je so inniglich wie jetzt?

Infos: fantasyfilmfest.com