Bodenständiger als Laika: Moskauer Streuner

Space Dogs

Eine Doku über die Geister russischer Raumfahrt und gegenwärtige Moskauer Hundeleben

Die Moskauer Mischlingshündin Laika kennt in Russland jedes Kind, weil sie 1957 als erstes Lebewesen in den Erdorbit geschossen wurde. Die Legende besagt, dass sie nach dem Tod in der Sputnik 2 als Geist in ihre Heimatstadt zurückgekehrt sei. Dort spuke sie noch heute durch die Straßen. »Space Dogs« lässt es vollkommen plausibel erscheinen, dass sie niemals Ruhe finden konnte. Das sowohl in Locarno als auch auf der Viennale 2019 ausgezeichnete Werk des Regie-Duos Elsa Kremser und Levin Peter ist kein gewöhnlicher Dokumentarfilm über Tierversuche im Rahmen des sowjetischen Raumfahrtprogramms. Obwohl die Filmemacher darin nie gesehene Archivaufnahmen aus den Laboren zeigen, die einen schnell verstehen lassen, wieso diese Materialien lange Zeit unter Verschluss gehalten wurden. Hat man die schwer zu ertragenen Experimente an den Hunden einmal gesehen, überschatten sie für immer die Bilder treuherziger Dackelaugen auf den Gedenkbriefmarken.

Doch für den Großteil von »Space Dogs« zieht es Kremser und Levin ins Moskau der Gegenwart. Dort folgen sie zwei Straßenhunden auf deren verschlungenen Pfaden durch die Stadt. Es entsteht eine beeindruckende Nähe zu den Hunden, gewissermaßen Laikas Nachfahren. Auf der Suche nach Futter, beim Spielen, Jagen und Dösen scheinen sie sich am Filmteam nicht zu stören. Mal erinnert das an einen Experimental-, dann wieder an einen narrativen Spielfilm, aber in erster Linie ist es ein beeindruckendes kinematographisches Erlebnis.

Das Schmatzen, Knurren, Schnaufen der Tiere dominiert die Tonspur. Yunus Roy Imers Kamera folgt ihnen geschmeidigen Schrittes auf Augenhöhe, degradiert die wenigen auftretenden Menschen zu Wadenpaaren, während das ausladende Scope-Format all die heruntergekommenen Parkplätze und Hinterhöfe, Straßenkreuzungen und Brachen mit einer geradezu mythischen Aura auflädt. Das sonst überlaufene, verstopfte Moskau als Ort der sozialen Leere, an dem die Hunde die meiste Zeit vollständig auf sich allein gestellt sind. So ausgehungert, dass sie mit einem Furor, in den man geneigt ist menschliche Emotionen wie Frust und Zerstörungswut hineinzulesen, eine Katze jagen und sie, weil sie sie nicht reißen können, leblos im Gras liegen lassen. Noch einer dieser schwer zu ertragenden Momente in »Space Dogs«, der sich, begleitet von der schweren, gebrochenen Erzählerstimme Alexey Serebryakovs (»Leviathan«), allmählich zu einem wahrhaftigen Geisterfilm entwickelt.

(dto) AUT 2019, R: Elsa Kremser, Levin Peter, 91 Min. Start: 24.9.