Cologne Pride im Kleinen: Die Strahlkraft soll trotzdem bleiben, Foto: Dörthe Boxberg

Pride in Zeiten von Corona

Der CSD wird zur Fahrraddemo, die Gala geht in die Lanxess-Arena. Der Cologne Pride wird dieses Jahr anders, erzählen Uwe Weiler und Hugo Winkels vom Kölner Lesben- und Schwulentag

Ihr seid gerade frisch gewählt worden. Wie schwierig war der Neustart mitten in einer Pandemie?

Uwe Weiler: Ein Großteil des Vorstands ist ja schon seit 2016 im Amt. Ich bin vom Vorstand zum Geschäftsführer geworden und Hugo war vorher schon Beirat. Das ist gerade ein großer Vorteil, wir sind alle eingearbeitet. Wenn man die ganze Zeit mit internen Baustellen beschäftigt ist, kann man sich keine Gedanken zu neuen Themen machen.


Hat sich Covid-19 auf die Arbeit und Aufgaben des Kölner Lesben und Schwulentags  ausgewirkt?

Hugo Winkels: Unsere Hauptaufgabe ist nach wie vor, den Cologne Pride zu veranstalten und eine Plattform für alle zu schaffen, die sich einbringen möchten. Der KLUST funktioniert ja rein ehrenamtlich, Uwe ist der einzige Angestellte. Wir könnten gar nicht so eine Arbeit machen wie etwa der LSVD oder das Rubicon.

Weiler: Für Köln selbst sind wir aber eine wichtige Stimme in der Stadt-AG. Da vertreten wir ganz aktuelle Belange, wie etwa die Situation der schwulen Saunen oder die Räumungen der Schaafenstraße. In beiden Fällen sind wir gerade im Gespräch mit der Stadt und mit den Betreibern, um für die Zukunft vernünftige Lösungen zu finden. Im Oktober holen wir den Pride nach. Auch wenn es vielleicht nicht so warm wird, die Stadt wird voll sein. Das wissen wir und mittlerweile weiß das auch das Ordnungsamt. Jetzt setzen wir uns zusammen, um eine Lösung zu finden.

Winkels: Wir verstehen die Schaafenstraße und die Saunen als Schutzräume für unsere Zielgruppe. Wenn man die einfach zumacht, wo sollen die Leute denn hin an so einem Abend. Man kann in dem Fall nicht einfach sagen: Geht doch auf die Zülpicher Straße!


Der große Cologne Pride im Sommer ist abgesagt worden, was erwartet uns bei der kleinen Ausgabe im Oktober?

Winkels: Auch in diesem Jahr gibt es ein zweiwöchiges Programm im Vorfeld. Diesmal aber mit kleineren Veranstaltungen und Online-Formaten. Offene Diskussionsrunden sind derzeit eben schwer umsetzbar.

Weiler: Das gilt auch für das Straßenfest. Das ist für viele der wichtigste Moment des Cologne Pride: drei Tage, an denen man eben so sein kann, wie man will. Es war uns aber schon relativ früh klar, dass wir das in diesem Jahr nicht wie gewohnt durchführen können.


Die Hauptveranstaltung heißt jetzt Pride Now und findet in der Lanxess Arena statt.

Weiler: Wir übernehmen dafür das Hygienekonzept der Arena. Das ist gut durchdacht und vom Gesundheits- und Ordnungsamt genehmigt. Die Halle hat eine der modernsten Belüftungsanlagen. Die ist relativ neu und tauscht in einer Stunde 500.000 Kubikmeter Luft aus. Da sind dann 2.400 statt 17.000 Leuten, das ist im Prinzip fast wie eine Außenveranstaltung.


Der Unterschied zum Fest auf dem Heumarkt ist aber: Man braucht ein Ticket.

Weiler: Eigentlich wollten wir gar keinen Eintritt nehmen, aber wir dürfen den Verein auch nicht gefährden und müssen die Kosten zumindest teilweise kompensieren. Deshalb nehmen wir einen Soldidaritätsbeitrag von fünf Euro.

Winkels: Am Sonntag nach der Demo wird es zusätzlich um 19 Uhr einen Zusammenschnitt von beiden Abenden im Netz geben — damit alle auch alles mitbekommen.


Warum macht ihr keinen rein digitalen Pride?

Winkels: Daran haben wir auch kurz gedacht. Wir haben das aber verworfen, weil wir ja Präsenz zeigen wollen. Mit einem Online-Event erreichen wir im Grunde genommen »nur« die Community, aber nicht die breite Bevölkerung.


Braucht es den CSD denn überhaupt noch?

Weiler: Nicht nur die heteronormative Mehrheit sagt uns: »Ihr habt doch die Ehe für alle, was wollt ihr denn noch?« Auch innerhalb der Szene gibt es diese Gefahr. Dabei ist die rechtliche Seite immer nur eine Sache. Ja, wir haben die Ehe für alle und wahrscheinlich wird irgendwann auch Artikel 3 des Grundgesetzes angepasst, aber in der Gesellschaft selber gibt es noch große Baustellen. Es geht ja — Stichwort AfD — immer auch darum, Erreichtes zu verteidigen und zu erhalten.


Die große Parade ist diesmal eine alternative Sternfahrt mit dem Rad. Geht ihr zurück zu den Wurzeln der Bürgerrechtsbewegung?

Winkels: Mit den Fahrrädern haben wir die Möglichkeit, durch Mülheim oder Kalk zu fahren, und wir kommen am Chlodwig- und am Ebertplatz vorbei. Wir dürfen aber nicht vergessen, dass die reguläre Demonstration im Sommer eine ganz andere Aussage- und Strahlkraft hat. Wir dürfen Corona nicht als Vorwand nehmen, um stehen zu bleiben. Wir sind keine kleine Splittergruppierung, wir sind groß und wir müssen auch groß bleiben.

Weiler: Es wird uns ja oft vorgeworfen, dass der »normale« CSD nicht politisch genug sei. Für mich sind aber 1,2 Millionen Leute auf der Straße eigentlich politische Aussage genug. Das geht häufig im Trubel unter: Wir sind die größte wiederkehrende Menschenrechtsveranstaltung in Europa!

Info: colognepride.de