Generationenporträt: Sally Rooney, Foto: © Klaus Holsting

Normale Klassen­verhältnisse

In ihrem Buch »Normale Menschen« erzählt Sally Rooney von einer Liebe über die Klassengrenzen hinweg.

Eigentlich ist »Normale Menschen« eine gewöhnliche Liebesgeschichte: Boy meets girl, sie verlieben und trennen sich, und wieder von vorne. In der Grafschaft Sligo, im Westen Irlands, gehen Connell und Marianne zur Schule. Er ist der Star des Fußball-Teams, sie eine Außenseiterin. Aber beide lieben Bücher: »Das Manifest der Kommunistischen Partei« und den afro-amerikanischen Autor James Baldwin. Sie verlieben sich und daraus entwächst eine Beziehung, die über ihre Studienzeit bestehen bleibt, aber immer unterschiedliche Formen annimmt. Mal sind Connell und Marianne ein Liebespaar, mal sind sie Freunde, mal zufällige Begegnungen auf dem Campus des Trinity College in Dublin, wo Connell Englische Literatur und Marianne Geschichte studiert.

Und dann ist da noch die Sache mit den Klassenunterschieden. Die beiden lernen sich kennen, weil Connells Mutter die Putzfrau von Mariannes Mutter ist. Immer wieder wird ihre Klassenzugehörigkeit zum Hindernis für ihre Liebe, etwa wenn Connell während der Semesterferien sein Studentenzimmer aufgeben und für drei Monate zu seiner Mutter ziehen muss. Und als sie beide ein Stipendium erhalten, befreit das Connell von existenziellen Sorgen, während es für Marianne nur eine formelle Bestätigung ihres Status ist.

Die 29-jährige Sally Rooney erzählt all dies in Vignetten, deren intimer und genau beobachteter Erzählstil von Übersetzerin Zoë Beck im Deutschen perfekt eingefangen wird. Dabei flicht sie immer wieder die Politik der frühen 2010er Jahre in ihre Lovestory. Connell und Marianne haben eines ihrer ersten Dates in einer Ruine der Immobilienkrise, ein anderes findet während Protestem gegen die Austeritätspolitik statt.

Aber der politischste Aspekt von »Normale Leute« ist die Liebe von Connell und Marianne. Die beiden sind das perfekte Paar: Sie teilen die gleichen Interessen, sie verstehen die Emotionen des anderen. Weder fetischisiert Marianne den Arbeiterjungen Connell, noch sieht Connell in ihr lediglich die Chance auf ein besseres Leben. Denn als dieses vor ihm liegt, will er sich nicht von Marianne trennen. Aber sie bittet ihn darum — weil es das Beste für ihn ist.

Stadtrevue Präsentiert

Zoë Beck über Sally Rooney, Mo 19.10., Literaturhaus Köln, 19.30 Uhr

Sally Rooney: »Normale Menschen«, Luchterhand, 320 Seiten, 20 Euro