Gruppenbild mit Hund: Im ehemaligen Autohaus wird an der Stadt der Zukunft gewerkelt, Foto: Dörthe Boxberg

Lastenräder im Autohaus

In Neuehrenfeld soll als Zwischennutzung ein Kreativlabor für nachhaltige Stadtentwicklung entstehen

Das frühere Grundstück des Autohauses Levy an der Liebigstraße ist verkauft. Der niederländische Immobilienentwickler BPD will 180 Wohnungen und ein Bürogebäude bauen. Der Flachbau, in dem bis Ende Juli Neuwagen präsentiert wurden, wird verschwinden, und mit ihm Parkplatz und Platanen. Der Rand des neuen Wohnblocks an der Liebigstraße soll so hoch werden wie die angrenzenden Häuser und darin ein »Teppich aus einfamilienhausartigen Gebäuden« und bis zu vierstöckigen Mehrfamilienhäusern entstehen, so die Idee des Architekten Manuel Herz. 20 Prozent Sozialwohnungen, eine Kita, Spielplätze und das Recht für Spaziergänger, den Block zu durchqueren, hat die Stadt dem Investor abgerungen.

Noch liegt keine Baugenehmigung vor. Flachbau und Gelände nutzt in der Zwischenzeit der in Ehrenfeld verwurzelte Verein »Köln Leben und Gestalten«, kurz: Klug. Einen Vertrag für die Zwischennutzung hat der Verein zunächst bis Ende Mai 2021. Ein »Kreativlabor für nachhaltige Stadtentwicklung« schwebt den Aktivisten vor. Eine Reparaturwerkstatt, eine Fahrradspedition, Kreativwirtschaft und bürgerschaftliches Engagement sollen Platz finden. »Wir wollen zeigen, dass der Bedarf für solche Räume da ist«, sagt Jan Pehoviak vom Vereinsvorstand und zudem Mitglied bei den »Klima Freunden«. Zentral ist dabei die Idee eines »Hub«. Das Grundstück gegenüber dem früheren Schlachthof ist über die Autobahn A 57 gut zu erreichen, liegt zwischen Nippes und Ehrenfeld und ist von der Innenstadt nur durch den Herkulesberg getrennt. Lieferungen für Supermärkte oder Pakete könnten von hier aus die letzten Kilometer emissionsfrei mit Lastenrädern transportiert werden.

Vorbild und Mahnung zugleich sei das Heliosgelände, sagt Pehoviak. Dass dort eine Schule statt eines Shopping Centers entsteht, sei einerseits ein Erfolg. Andererseits seien Werkstätten und Kulturbetriebe verdrängt worden. Das Grundstück an der Liebigstraße habe deshalb symbolische Bedeutung, nicht nur weil demnächst ausgerechnet aus einem ehemaligen Autohaus Lastenräder in die Stadt starten könnten. »Wir wollen einen Fuß in das Gebiet bekommen«, sagt Pehoviak.

Rund um die Liebigstraße sind zahlreiche große, zum Teil untergenutzte Gewerbeflächen zu finden. Der Schlachthof, eine große Molkerei, das Gelände, auf dem die Zentrale der Rheinenergie steht, der frühere Blumengroßmarkt, die Hornstraße: Das Potenzial erkannten bereits der Stadtentwicklungsausschuss, der im Juni 2018 die Verwaltung beauftragte, einen »Entwicklungs- und Nutzungsplan« für das Areal zu erarbeiten. Laut Pressestelle der Stadt ist dieser Plan noch »in Vorbereitung«. Üblicherweise schlagen sich solche übergeordneten Pläne, wenn sie vorliegen, in konkreten Bebauungsplänen nieder, in denen festgelegt ist, wie Grundstücke bebaut werden dürfen. Für das Gelände des Autohauses wird es allerdings keinen Bebauungsplan geben. Auch ein weiteres Baugebiet am angrenzenden Methweg soll ohne Bebauungsplan entstehen.

Bei den Ehrenfelder Grünen stößt das auf Unverständnis. Sie hadern nicht nur mit den Bäumen, die gefällt werden. »Das ist ja keine Randlage mehr«, sagt Christiane Martin, scheidende Bezirksvertreterin und neue Vorsitzende der grünen Ratsfraktion. Martin will mehr günstigen Wohnraum: »Einfamilienhäuser in der Stadt sind ein Luxus, den wir uns nicht mehr leisten können.« Mit Bebauungsplan würde auch das Kooperative Baulandmodell greifen, das einen Anteil von wenigstens 30 Prozent gefördertem Wohnungsbau vorschreibt. Ärgerlich findet Martin auch, dass der Parkplatz neben dem Autohaus bis vor wenigen Jahren noch der Stadt gehörte. Wäre er nicht verkauft worden, könnte die Stadt heute deutlich mehr Einfluss nehmen.

Der bisherige Bezirksbürgermeister Josef Wirges (SPD) sieht das ähnlich. Er wünscht sich wenigstens 40 Prozent geförderten Wohnraum. Dem gesamten Gebiet müsse auf Ratsebene endlich die nötige Aufmerksamkeit gewidmet werden. Wirges kritisiert den »Wahlkampfmodus« von OB Henriette Reker und vermutet, rasche Genehmigungen für neue Wohnungen seien wichtiger gewesen als strategische Planung. Wirges kritisiert aber auch, wie der Investor an der Liebigstraße den sozialen Wohnungsbau in sein Projekt integrieren will und spricht von einem Puffer: Die Sozialwohnungen sind nämlich entlang der Liebigstraße vorgesehen. Die Gebäude am Blockrand schirmen den Innenbereich von Lärm ab, der 2015 unter anderem Anlass für die Bauverwaltung war, von Wohnbebauung abzuraten. Lastwagen und Pkw auf der Liebigstraße, dazu die teils auf Dämmen und Brücken geführten Eisenbahntrassen am Gleisdreieck, außerdem die nahe A 57 sind erheb­liche Lärmquellen.

Der Lärmschutz muss in einem Bebauungsplanverfahren intensiver erörtert werden, als für eine Baugenehmigung ohne solche Grundlage. Ob das auch ein Grund war, auf ein solches Verfahren zu verzichten? Die Stadt begründet die Entscheidung auf Anfrage vor allem mit dem »ungewöhnlichen konzeptionellen und künstlerischen Planungsansatz« des Architekten.