Machen sie uns wütend, dann werden sie schon sehen: Die Grünen stehen unter Erfolgsdruck, Foto: © Erika Wittlieb / Pixabay

Grüner Herbst

Die Wahl zum Stadtrat wirbelt die Verhältnisse durcheinander. Ein Überblick

Mit 28,5 Prozent erzielten die Grünen bei der Wahl zum Stadtrat am 13. September ihr bislang bestes Ergebnis. Mit 26 der 90 Sitze sind sie fortan mit Abstand stärkste Fraktion. Auch in den Bezirksvertretungen legten sie überall zu, in fünf der neun Bezirke könnten sie nun Bürgermeisterin oder Bürgermeister stellen.

Zum Debakel geriet die Ratswahl für SPD (-7,8 Prozent) und CDU (-5,7 Prozent), dem bisherigen Partner der Grünen. Nun können sich die Grünen aussuchen, mit wem sie ein Bündnis bilden: SPD und CDU sind nur noch mit je 19 Sitzen vertreten. Allerdings benötigte ein solches Bündnis die Stimme der Oberbürgermeisterin für eine Mehrheit — oder aber die Unterstützung der kleinen Gruppen, die ebenfalls zulegten, allen voran die paneuropäische Partei Volt, die fünf Prozent und damit vier Sitze erreicht hat.

Bislang hat aber niemand in Köln Erfahrung mit der erst vor drei Jahren gegründeten Partei, die ihr Profil kommunalpolitisch erst noch schärfen muss. Da sie den Kompromiss als demokratisches Prinzip betonen, könnten sie ein verlässlicher Partner für ein Bündnis unter grüner Führung sein.

Bei den anderen Gewinnern sieht das anders aus. Klima Freunde, vormals Deine Freunde, nehmen künftig mit stark umweltpolitischer Ausrichtung zwei Sitze im Rat ein. Ihre Positionen scheinen in der Klima- und Verkehrspolitik kaum verhandelbar; damit treiben sie die Grünen vor sich her. Allerdings schwingt bei den Klima Freunden immer auch Kritik am Parlamentarismus mit: Sie wollen mehr Bürgerbeteiligung, liebäugeln mit dem Rotationsprinzip, sind gegenüber der Professionalisierung von Politik skeptisch. So wären sie als Partner unflexibel, jeder Kompromiss könnte Enttäuschung bei der Wählerschaft provozieren.

Ebenfalls mit zwei Sitzen ist die Wählergruppe GUT vertreten, sie verfolgen ähnliche Ziele, haben sich im Rat bereits als zuverlässig erwiesen, kooperierten mit dem schwarz-grünen Bündnis und verabschiedeten den städtischen Haushalt mit. Ohne Zugeständnisse ist das nicht möglich. Die Satirepartei Die Partei hat ebenfalls zwei Sitze erlangt. In der Tendenz zwar links, ist dennoch unklar, wie ernst sie die Politik nehmen wird.

Bleibt noch die Linke. Wie zuvor ist man mit sechs Sitzen vertreten und damit viertstärkste Kraft. Stets hatte die Linke mit ihrem langjährigen Fraktionschef und diesjährigen OB-Kandidaten Jörg Detjen ein progressives Bündnis angestrebt — ohne Erfolg. Dafür müsste sich das Verhältnis zu den Grünen entspannen. Die Linke in Köln ist undogmatisch und verkehrs- und klimapolitisch oft mindestens so grün wie die Grünen selbst. In einem Bündnis mit Grünen und SPD könnte sie zudem eine mittlere Position einnehmen: Dass Klimapolitik für die Linke auch Sozialpolitik bedeutet, hat niemand so stark herausgestellt wie ihr OB-Kandidat Jörg Detjen, der auch den Kontakt zu den Initiativen geknüpft hat.

In Summe legt das Wahlergebnis ein grün-rotes Bündnis mit oder ohne Linke nahe. Doch es gab in der jüngeren Vergangenheit viel Streit zwischen Grünen und SPD. 2014 scheiterte das damalige Bündnis — allerdings ist in beiden Fraktionen nach der diesjährigen Wahl das Personal zum größten Teil ausgetauscht. Lino Hammer als Fraktionsgeschäftsführer und die neue Fraktionschefin Christiane Martin stehen ohnedies für eine Neuausrichtung. Auf der anderen Seite verloren führende Sozialdemokraten ihr Ratsmandat, neben anderen der erst vor kurzem installierte SPD-Fraktionsgeschäftsführer Rafael Struwe.

Als Juniorpartner der Grünen müsste die SPD sich bewegen, doch die Partei fremdelt mit dem Klimaschutz und steht auch bei der Verkehrswende eher auf der Bremse: So sperrt sich die SPD gegen einen Ausbau des Niehler Gürtels als reine Fahrrad- und Fußgängerstraße, will außerdem einen U-Bahn-Tunnel durch die Innenstadt und begrüßt den Ausbau

des FC-Trainingsgeländes im Grüngürtel. Alles Ziele, die die Grünen und noch vehementer kleine Parteien wie GUT und Klima Freunde ­ablehnen.

Unter OB Henriette Reker [Die OB-Stichwahl fand nach Redaktionsschluss dieser Ausgabe statt; Anm.] wäre ein grün-rotes Bündnis außerdem schwieriger als Grün-Schwarz, Rekers liebste Farbkombination.

Vieles, wenn nicht alles, wird davon abhängen, wer künftig die SPD-Fraktion im Rat anführt. Zwar ist der amtierende Fraktionschef Christian Joisten angezählt, weil er den Streit in der Fraktion nicht hat befrieden können. Allerdings ist Joisten einer der wenigen SPD-Kandidaten, die ihren Wahlbezirk gewonnen haben. Joisten hat Reker stets scharf attackiert, gilt aber auch als Pragmatiker, wenn sich eine Machtoption bietet — zumal die SPD unbedingt wieder Einfluss gewinnen will. Ihr OB-Kandidat Andreas Kossiski könnte als Kompromiss der Fraktion vorstehen, der Polizist und ehemalige DGB-Boss aber ist Sozialdemokrat alter Prägung. Auch wird Parteichefin Christiane Jäger Ansprüche geltend machen. Würde sie Fraktionsvorsitzende, könnte es für OB Reker ungemütlich werden. Denn Jäger kommt aus der Stadtverwaltung und hat entsprechende Einblicke und Kontakte.

Nur, wenn die SPD zu stolz wäre, die Rolle als Juniorpartner anzunehmen oder Reker intervenierte, gäbe es eine Chance auf Grün-Schwarz. Denkbar sind freilich auch wechselnde Mehrheiten. Das müsste für die Grünen nicht anstrengender sein, als zwei Parteien auf ihre Linie einzuschwören.