Der Farbkreis nach der Kölner Wählerschaft: Sitzverteilung im neuen Stadtrat , Grafik: © Stadt Köln

Die Diskursverschieber

Volt, GUT und Klima Freunde haben nur wenige Sitze im neuen Stadtrat. Aber trotzdem könnten sie künftig die Politik der Stadt mitbestimmen

90 Sitze hat der Ratssaal, 46 davon müssen mit Gleichgesinnten besetzt sein, um Beschlüsse zu fassen. Nach der Wahl vom 13. September kann das kein Zweierbündnis schaffen. Selbst die Grünen kämen mit CDU oder SPD nur jeweils auf die Hälfte der Stimmen und benötigten noch die OB-Stimme. Komfortabler ist eine klare Mehrheit.

Gesprächseinladungen der Grünen werden unter diesen Umständen nicht nur bei der CDU und SPD eingehen, sondern auch bei den kleinen Parteien. Vor allem sind das Volt, GUT und Klima Freunde, die zusammen acht Sitze erobert haben und den Grünen in vielem näher scheinen als die beiden anderen großen Fraktionen: bei Klimaschutz, Verkehr und Migration, möglicherweise auch bei Kulturpolitik oder Stadtplanung.

Die Augen richten sich vor allem auf Volt — allein, weil die pan-europäische Partei aus dem Stand vier Sitze erreicht hat. Könnte Volt die entscheidende Mehrheit für ein Ratsbündnis bereitstellen — egal ob dieses grün-schwarz oder grün-rot ist? »Wir sind mit allen pro-demokratischen Parteien im Gespräch«, sagt die Fraktionsvorsitzende Jennifer Glashagen. Es gebe mit fast allen Parteien Schnittmengen, erklärt die 31-Jährige. »Unsere Prioritäten sind aber klar: die Mobilitätswende, um die Klimaziele zu erreichen, die Digitalisierung der Stadtverwaltung und der soziale Ausgleich.« Dabei sind diese Schnittmengen von Thema zu Thema unterschiedlich. Wie die CDU, SPD und FDP ist Volt für die Untertunnelung der Ost-West-Achse, steht aber mit weitreichenden Forderungen nach mehr Raum für Fußgänger und Fahrräder den Grünen und der Linken nahe.

Beim Erarbeiten ihrer Politikziele verfolgt Volt einen »Best-Practice-Ansatz«: Wenn etwa die Mobilitätswende in einer anderen Stadt besonders gut gelungen ist, überlegt die Partei, wie sich die dortigen Konzepte auf Köln übertragen lassen. Theoretisch ließe sich dieser Ansatz auch auf das Stimmverhalten im Rat übertragen: Gute Ideen bekommen die Unterstützung von Volt. Das liefe auf wechselnde Mehrheiten hinaus. Aber in der Kölner Politik gibt es auch ein Geben und Nehmen: Fraktionen verhandeln über mögliche Mehrheiten, bevor ein Antrag in die Gremien kommt. Wem ein Antrag wichtig ist, muss dafür vielleicht einem unliebsamen Antrag zustimmen, um für den wichtigen Antrag eine Mehrheit zu bekommen. »Kompromisse sind die Grundlage für Politik«, sagt Jennifer Glashagen. »Wir suchen den Dialog und bemühen uns um eine gemeinsame Lösung.«

Die Wählergruppe GUT ist für die Grünen interessant — und wichtig. Man kennt sich schon, Thor Zimmermann sitzt seit 2009 im Rat. Damals zog er als Vertreter der Wählergruppe Deine Freunde ein. Nach der Wahl 2014 gab es dann zwei Sitze. Doch Zimmermann und sein Ratskollege Tobias Scholz gründeten noch während der Ratsperiode GUT. Nun wird Zimmermann mit Karina Syndicus, die neu in den Rat einzieht, Politik machen. Auch GUT ist kompromissbereit. »Wenn man Verantwortung übernimmt und etwa den Haushalt mit beschließt, dann muss man hin und wieder auch ein paar Kröten schlucken, um andere Ziele, die einem wichtiger sind, zu erreichen«, sagt Zimmermann. Einiges hat GUT erreicht, vor allem für den Umwelt- und Klimaschutz, für Subkultur und Fuß- und Radverkehr. Nicht zuletzt gehen ein externes Gutachten zum umstrittenen Messe-Deal und die Prüfung eines Seilbahnsystems über dem Rhein auf GUT zurück. »In der kommenden Ratsperiode möchten wir daran mitarbeiten, dass sich Köln deutlich ambitioniertere Klimaziele setzt«, sagt Zimmermann, »auch die ökologische Verkehrswende bleibt für uns Dauerthema.«

Ebenfalls mit zwei Sitzen ist die ehemalige Gruppe Deine Freunde, die sich mittlerweile Klima Freunde nennt, vertreten. Mit der Namensänderung ging ein Schulterschluss mit der Klimagerechtigkeitsbewegung einher. Zwei Mitglieder der For-Future-Bewegung sitzen nun im Rat: Nicolin Gabrysch, die auch als OB-Kandidatin ein achtbares Ergebnis einfuhr, und John Akude, dem ersten Schwarzen im Rat. »Das ist auch ein wichtiges Symbol. John wird im besten Fall als Türöffner und Möglichmacher für zukünftige politische Vertreter*innen in Köln fungieren«, sagt Vorstandsmitglied Immanuel Bartz.

Die Klima Freunde sind als die grünere Version der Grünen angetreten. »Was Klimagerechtigkeit angeht, werden wir die weitreichendsten Forderungen stellen«, sagt Spitzenkandidatin Gabrysch über den nächsten Stadtrat. »Wir werden uns unsere Unabhängigkeit bewahren und uns selbst treu bleiben.« Eine Absage an Bündnisse und Zusammenarbeit sei das aber nicht. »Wir werden zugewandt und freundlich-radikal für Veränderungen eintreten«, so Bartz. Die Klima Freunde können dafür nicht nur ihre beiden Stimmen nutzen, sondern auch mit Anträgen grüne Impulse in den Rat einbringen. Dafür, dass sich der Diskurs im neuen Stadtrat hin zu Umweltschutz und Nachhaltigkeit verschiebt, werden im neuen Stadtrat nicht nur die Grünen Verantwortung tragen.