Der SUV unter den Wärmequellen: Heizpilz im Herbst, Foto: Daniel Grünfeld

Die etwas andere Pilzsaison

Biergärten im Winter? Die Politik will die Gastronomie retten, der Klimaschutz macht Pause

Aerosole, das ist auch so ein Begriff, der durch die Corona-Pandemie populär wurde. Studien haben belegt, dass das Virus sich in geschlossenen Räumen lange in der Luft halten kann. Somit ist dort die Gefahr einer Ansteckung höher als im Freien. Obwohl die Plätze in Restaurants und Kneipen verringert wurden, damit die Abstands­regeln eingehalten werden können, besteht drinnen also durchaus ein höheres Gesundheitsrisiko als draußen. Die Außengastronomie ist für Gäste so attraktiv wie nie.    

Für Restaurantbetreiber ohne Terrasse ist das ein finanzielles Desaster. Wenn drinnen weniger Gäste bewirtet werden können, droht der Umsatz einzubrechen. Obwohl bislang kein »Gastronomiesterben« einsetzte, ist die wirtschaftliche Lage der meisten Betriebe stark angespannt. Die Stadt Köln kam der Branche daher entgegen. So wurden etwa Parkplätze unbürokratisch zu Terrassenplätzen umfunktioniert.

Aber was nützt das jetzt, wo es kühler wird und der Winter bevorsteht? Der Deutsche Hotel- und Gaststättenverband (Dehoga) sprang jetzt den Gastwirten bei. Die Interessenvertretung forderte »Terrassen-Stärkungspakte« zwischen den Städten und der Gastronomie. So soll die Bewirtung draußen in den Winter und darüber ­hinaus verlängert werden, und zwar mit Hilfe von Heizstrahlern und Heizpilzen.

Aber es ist halt nicht nur Corona-Krise, sondern auch Klima-Krise. Immerhin befindet sich die Stadt Köln seit vergangenem Jahr per Ratsbeschluss im »Klimanotstand«. Das bedeutet, dass bei allen Ratsbeschlüssen, dem Klimaschutz eine »hohe Priorität« eingeräumt werden muss. Wie hoch aber ist hoch?

Anfang September beschloss der Rat der Stadt den Antrag von CDU, Grünen und GUT, die Saison der Außengastronomie weiterhin gebührenfrei bis Ende kommenden Jahres zu verlängern — so, wie das etwa auch in Bonn beschlossen wurde. Zudem beauftragte der Rat die Verwaltung, sogenannte Pop-up-Biergärten »wohlwollend zu prüfen und zu genehmigen«. Ein Änderungsantrag der SPD, dabei auch die Interessen von Anwohner stärker zu berücksichtigen, die sich etwa durch Lärm gestört fühlen, fand hingegen ebenso wenig Zustimmung wie ein weitergehender Antrag der FDP: Der sah vor, dass auch die Öffnungszeiten der Außen­gastronomie verlängert würden — eine Forderung, die auch die Dehoga stellt. Darüber hinaus wollte die FDP einen sogenannten Stadtgutschein wie in Bergisch Gladbach einführen. Dort können Bürger die Gastronomie ebenso wie den Einzelhandel mit dem digitalen »Schenk lokal«-Gutschein stärken.

Der Ratsbeschluss thematisiert absichtlich nicht, dass die Außen­gastro­nomie für die meisten Menschen ab Herbst nur halbwegs attraktiv ist, wenn es dort Wärmequellen gibt. Doch das Thema ist zu heikel, obwohl klar ist, dass sich bloß mit etwas Windschutz die Terrassen ab Oktober nicht füllen werden. Decken sind aus Hygienegründen zweifelhaft. Insofern werden Heizpilze und Heizstrahler zum Einsatz kommen — Geräte, die als klimaschädlich gelten. Sie sind quasi der SUV unter den Wärmequellen. Heizpilze werden mit Gas betrieben, sie gelten als besonders klimaschädlich. Aber auch die elektrischen Heizstrahler haben eine miese Ökobilanz.

München erlaubt Heizpilze derzeit nur während der Sommerzeit, in Berlin sind Heizpilze im Zentrum und einigen Bezirken weitgehend ganz verboten, in Hamburg müssen sie genehmigt werden, was die Behörden oft ablehnen. In Leipzig kostet es pro Monat bis zu 30 Euro, einen Heizpilz aufzustellen — das Geld will die Stadt für Baumpflanzungen einsetzen.

Dass in Köln Heizpilze teils verboten sind, beruht nicht auf dem Klimanotstand — sondern auf ästhe­tischen Gründen. Das Gestaltungshandbuch der Stadt untersagt Heizpilze etwa an den Ringen oder im Rheingarten in der Altstadt. Heizstrahler hingegen sind auch dort zulässig, wenn sie fest unter Markisen installiert sind und nicht ins Auge fallen.

Vor dem Corona-Ausbruch warben die ersten Restaurants damit, nur regionale Lebensmittel zu verwenden oder mit kurzen Transport­wegen, Müllvermeidung und einer vorbildlichen CO2-Bilanz des ge­sam­ten Betriebs. Das kam gut an. Gut essen ohne schlechtes Gewissen. Gastronomen sind längst sensibel für Umwelt- und Klimaschutz — oder zumindest sensibel für ein Publikum, bei dem man mit Klima- und Umweltschutz punkten kann.

Jetzt aber sind viele Gastwirte angesichts ihrer wirtschaftlichen Lage für die Heizpilze und Heizstrahler. Denn die Frage stellt sich: Klimaschutz oder Pleite? Oder gibt es einen Ausweg aus dem Dilem­ma? Das Brauhaus Johann Schäfer in der Südstadt gab bekannt: »Heizpilze kommen für uns auf keinen Fall in Frage!« Stattdessen probiert man sich an Alternativen: mit Akku betriebene Sitzheizkissen mit In­frarotwärme, »die direkt in den Allerwertesten und in den Rücken übergeht.«