Festival heute: Auch eine Möglichkeit, auf Abstand zu achten

Rave in der kleinsten Hütte

Der Sommer ging mit einem Festival für Festivals zu Ende

Ende August fand überall in Deutschland, egal ob im heimischen Garten, in Badezimmern oder in Balkonien, das erste digital-reale »Festival für Festivals« statt. Initiator Höme, das Festival-Magazin und Sprecher des Festival-Kombinats, einem Verband der deutschen Festivals, schaffte es mit dem einzigartigen Projekt sowohl die Lage hiesiger Festivals auf politischer Ebene abzubilden, als auch deren Dabeisein-Gefühl nach Hause zu bringen.

Unterschiedliche Arten von Livestream-Events zur Förderung von in Schieflage geratenen Kulturschaffenden gab es dieses Jahr bereits einige. Die Macher des Festival für Festivals wollten deshalb auf ganz besondere Art und Weise auf die deutsche Festivallandschaft aufmerksam machen, während die Teilnehmer zuhause sich endlich wieder wie auf ihrem Lieblingsfestival fühlen können sollten.

Also schnürte man schon früh im Sommer eine gut gefüllte Box mit vielen Gimmicks wie dem obligatorischen Festivalbändchen (wenigstens eines diese Saison!) oder einem Starschnitt, um das heimische Örtchen in ein Dixie-Klo zu verwandeln. Diverse Sponsoren durften Kleinigkeiten beipacken, Höme selbst produzierte ein Festivalmagazin und offizielles T-Shirt. Alleine die Boxen verkauften sich bis zum Produktionsstart rund 6000 Mal, andere Artikel gab es weiterhin einzeln zu kaufen. Dabei konnte jeder Festivalfan sich selbst entscheiden, ob das Geld am Ende direkt dem Lieblingsfestival oder dem großen, geteilten Festivaltopf zugute kommen sollte.

Mitgemacht haben ganze 156 deutsche Festivals, vom alternativen Techno-Camp zum großen Metal-Festival mit internationalen Headlinern. Alle steuerten fleißig Inhalte bei, die später am Festival-Wochenende vom 21.-23. August auf den drei digitalen Bühnen zu sehen sein sollten.

In einer aufwändigen Produktion aus einem Berliner Fernsehstudio wurde live gesendet, während insgesamt 400.000 Zuschauer von zuhause aus Formate wie Festivalbingo und Morgen-Yoga, aber auch aufgezeichnete Inhalte wie Festivaldokus und Konzertmitschnitte verfolgten. Mit Beiträgen wie Staumeldungen am Freitag bis hin zu After-Show-Partys und der verkaterten Abreise am Sonntag konnte man quasi in Echtzeit das ganze Festival-Wochenende erleben. Auch politische Beiträge, wie die Diskussion der Musikerin Antje Schomaker mit Erhard Grundl von den Grünen über den Status Quo der Festivallandschaft waren Teil des Programms.

Den Höhepunkt bildeten aber die sich persönlich engagierenden, etwa 20.000 aktiven Festivalfans, die sich in der mitgelieferten App zahlreiche Challenges mit anderen quer durch’s Land verteilten Camps lieferten. Vielerorts wurde also das Zelt daheim aufgeschlagen und das Klingelschild durch den eigenen Camp-Namen überklebt. Die dann erfüllten, kreativen Aufgaben reichten vom dramaturgisch inszenierten Bierflaschen-Öffnen zur halsbrecherischen Crowdsurfing-Performance, zeigten meterhohe Bierdosentürme und mit Klebeband an die Wand tapezierte Mitbewohner, oder auch Wohnzimmer-DJs, die sich an aus Alltagsgegenständen nachgebauten Pulten austobten.

Dem Gewinner-Camp mit den meisten Punkten winkt nun freier Eintritt im kommenden Jahr auf allen 156 teilnehmenden Festivals. Gerade diese überwältigende Teilnahme an den Challenges (App und Social Media vermeldeten an die acht Millionen Views) machte das Wochenende zu einem schönen Erfolg. Durch das Teilen ihrer Einsendungen in Video- und Fotoform verfolgten sich die Camps ständig gegenseitig, kommunizierten gleichzeitig in Chaat-Gruppen und feierten sich so gegenseitig, ganz wie auf einem realen, nur eben digital vernetzten, Festival.

Am Ende konnten durch die Sponsorengelder und verkauften Boxen etwa 350.000 Euro eingesammelt werden. Johannes Jacobi von Höme zeigt sich mehr als zufrieden vom positiven Feedback: »Wir sind unglaublich glücklich und stolz, dass wir so viele unterschiedliche Festivals vereinen konnten.«

Auch wenn bei den einzelnen Organisationen am Ende vielleicht nur ein paar Tausend Euros ankommen werden, so hat die Aktion dennoch großen symbolischen Wert und hilft vielleicht wenigstens dem ein oder anderen kleinen Festival dabei, bis zum nächsten Jahr durchzuhalten.