Luft, Netzwerk, Steine: Das »Atem«-Radiokollektiv

Der lange Atem

Die Clubkultur bekommt Unterstützung aus dem Radio

Der Kölner Radiosender Atem.cc versteht sich als mehr als nur eine weitere, unabhängige Plattform im Netz. Entstanden aus einer Idee für ein »Infinite Loop in Time and Space« befindet sich das Projekt zwar immer noch in der visionären Phase, verfolgt aber jetzt schon einen kultur-orientierten, diversifizierten Anspruch, bei dem sich lokale und internationale Kontributor*innen in verschiedensten Formaten abwechseln. Wir haben mit den drei Machern hinter dem Atem gesprochen: Warum sie sich immer noch in der Betaversion wähnen und worauf man sich noch freuen kann.


Wieso heute eigentlich noch ein Radio aufziehen?

Sascha Pascal: Für mich war das Medium Radio an sich interessant, als Veröffentlichungsform für Musik. Zunächst war die Idee zu einem »Infinite Loop in Space and Time«. Im Team mit Tobi und Daniel hat sich dann erst das Radioprojekt Atem.cc entwickelt.


Wie lange dauerte es dann noch bis ihr erstmals online gegangen seid?

Tobias S.: Wir haben versucht, das Ganze relativ schnell an den Start zu bringen, also als Minimum Viable Product. Um zu sehen, ob die Akzeptanz da ist, haben wir direkt losgelegt — dabei haben wir gemerkt, wie vielen Leute es eigentlich wert sind, über so ein Medium repräsentiert zu werden. Da war uns klar: Das bauen wir aus!


Wie genau sieht eure Umsetzung des Mediums Radio im Internet aus?

Tobias: Wir haben unsere eigene, stimmige Ästhetik gefunden. Eine ausgesuchte, visuelle Ebene mit nach Zufallsprinzip gemischten Videos, auf der dann Sound läuft. Als nächstes kam die Archiv-Ebene und Termintabelle. Offiziell sind wir immer noch in der Beta, weil es permanent und organisch weiter wächst.


Woraus speist sich das aktuelle Atem.cc-Programm?

Tobias: Jeder von uns hat sein eigenes Netzwerk, aus dem er schöpfen kann. Aber wir haben alle auch einen weiten Blick über den Tellerrand, so kommen auch immer mehr internationale Sachen rein. Wir wollen vor allem nicht nur im eigenen Saft schwimmen! Sondern haben den Anspruch abzubilden, was um uns herum passiert.

Daniel Garcia: Nicht nur etablierte Szenegrößen, sondern auch komplette Newcomer sollen dabei sein. Neben dem ersten Podcast sind auch Talkformate in Planung. Unsere 24/7-Rotation bietet natürlich interessante, gut selektierte Musik. Aber darüber hinaus soll auch anderes passieren, darin sehen wir unseren Mehrwert.


Gebt mal ein paar Beispiele, was läuft momentan bei euch?

Sascha: Jeder von uns fährt seine eigenen Formate, hostet aber auch andere. »Examine« von Otheus aus Bonn zeigt etwa Hard-Dance — bis nächstes Jahr mit Gastbeiträgen.

Tobias: Alex Ketzer, der das Noorden Label betreibt, macht auch eine wunderbare Show mit interessanten Features. Mit Baumusik haben wir hier in Köln auch ein spannendes Label, die viel machen und ihr eigenen Releases präsentieren. Außerdem haben wir einen extremen Japan-Nerd im Programm, der wirklich die abgefahrensten Sachen aus Asien auf Vinyl herausdiggt und die auch noch in einem nach historischen Schwerpunkten gesetzten Kontext spielt!

Daniel: Gerade entwickelt sich ein Talkformat, bei dem in der heimischen Küche gekocht, gegessen und gequatscht werden soll — und dabei Musik aufgelegt. Mit dem all-female Künstlerkollektiv Grapefruits sind wir im Gespräch, anlässlich des Erscheinens ihres halbjährlichen Printmagazins jeweils einen Podcast zu produzieren.


Wie finden solche Gastbeiträge ihren Weg zu euch?

Daniel: Wir sind immer offen für neue Beiträge, die Leute sollen einfach Konzepte oder fertige Pilotsendungen schicken.

Sascha: Interessierte Kontributoren können sich gerne melden bei info@atem.cc. Wir sind immer noch in der visionären Phase. Work in Progress heißt auch, dass da noch viel Platz nach oben ist, nicht nur  für Ideen und Leute aus der Kölner Region.

Daniel: Neulich habe ich zum Beispiel die Düsseldorfer DJ »Ballin’ BDOG« getroffen, die sich auf deutsche Rapmusik spezialisiert hat. Sie sendet aus einem Plattenladen, mit Gastinterviews und Auflegerei. Wir haben uns getroffen, einen Sendetest gemacht, und dann war die Sache relativ schnell klar. Seit August läuft jetzt ihre Sendung »Westside Ballin« mit Rap aus NRW bei uns im Programm.

Tobias: Da ist noch Luft nach oben, gerade auch, was das nicht-musikalische angeht.


Plant ihr für die Zukunft auch etwas in Richtung von Events?

Tobias: Das ist der nächste Schritt, heraus aus dem bloßen Streaming: das Physische und den Stream zusammenbringen!

Sascha: In der Vor-Atem-Zeit gab es unsere Pop-up-Veranstaltung »Atrium«. Da gab es an öffentlichen Orten thematisch kuratierte Musik mit Live-Darbietungen, aber nicht im Tanz-Kontext. Eine Idee ist, etwas in dieser Art fortzusetzen. Daniel: Dabei ist uns wichtig, Kultursensibilität und -diversität auf dem Schirm zu haben. Wir sind eine diverse Gesellschaft und wollen das auch widerspiegeln.