Auch diese Leute werden keine Spuren hinterlassen: Burning Man in Thailand, Foto: Ross Silcock

Mehr als nur ein Festival

»Burning Man« hinterlässt keine Spuren — auch nicht auf Koh Phangan, einer Insel im Golf von Thailand

 

Seit 2017 ist Avner Hadash ein »Burner«. So nennt man die sich als global verstehende Gruppe, die den 2004 verschriftlichten zehn Prinzipien von Burning Man folgen, darunter die Abwesenheit von Geld oder die Verpflichtung zur aktiven Teilnahme. Selbstversorgung ohne dabei Spuren zu hinterlassen, ist der Spirit. Angefangen hat Avner mit einem kleineren Burn in seiner Heimat Israel, dann war er auf dem großen Vorbild in den USA. Dort kümmerte er sich jeweils um die Organisation einzelner Camps, diese werden von den Teilnehmern selbst aufgestellt und sind auch für die artistischen Inhalte des Festivals zuständig. Avner bekam so einen guten Eindruck davon, was einen Burn ausmacht. Zwar gab es schon in den beiden Vorjahren Events auf Koh Phangan, die sich als Ableger des großen Burning Man in den USA verstanden. Dort gab es aber ganz regulär Besuchertickets zu kaufen, man musste also nicht unbedingt selbst etwas zum Aufbau beitragen. Avner hingegen wollte näher am Original sein: »Ich wollte etwas Intimeres machen. Weniger mit Geld, dafür mehr mit der Community arbeiten.«


Am Ende stellten die Teilnehmer des »Koh Phan Burhns« ganze 13 unterschiedliche, selbstgemachte Camps auf die Beine. Man konnte durch einen Wald voller Kunst-Installationen wandern oder sich im Tantra-Camp gegenseitig Massagen spendieren, und natürlich gab es tags wie nachts überall Live-Musik und DJs zu entdecken. Vor allem aber war alles umsonst und basierte auf dem Prinzip des sich gegenseitigen Schenkens.
Das hat auch Sharon, die sich für das Glitter-Camp einsetzte, beeindruckt. Sie scharte ein Team von Freiwilligen um sich, die später fleißig Gesichts- und Körperbemalung verteilten, Gästen sogar die Haare machten und natürlich Unmengen an Glitzer verteilten. Die schon im Vorfeld der Planungen spürbare Bereitschaft aller, von sich aus zu geben ohne etwas zurückzuerwarten, begeisterte Sharon spontan und setzte sich überall auf dem Festival fort. Egal ob Snacks, Obst oder selbst gemachter Schmuck — alles wurde einfach so verschenkt.


Auch Avner freut sich darüber: »Für mich war es ein großer Erfolg, weil es für sehr viele Menschen bedeutsam war. Eben nicht nur nur eine Party, von der man nach Hause kommt und wieder in sein normales Leben zurückfällt. Viele haben wirklich etwas mitgenommen. Wir sind sonst so daran gewöhnt, nur zu handeln, um etwas dafür zu bekommen. Egal ob durch Geld oder Tauschen. Wir geben nicht einfach deshalb, weil es uns glücklich macht. Daran mussten sich manche erst gewöhnen, aber dann war es ansteckend für alle. Wir hatten ein richtig starkes Community-Gefühl im Sinne von: Wir alle wollen das Beste für alle von uns! Ich glaube, das ist ein guter Weg, durchs Leben zu gehen«. Sharon bestätigt das besondere Gefühl, Teil einer riesigen Familie zu sein. Sie war beeindruckt von ihrem eigenen Schaffen und was sie als Team auf die Beine gestellt hatten. Denn getreu den Grundregeln der Burner musste jeder im Austausch für sein Ticket selbst mit kreativ werden. »Das hat die Leute einander näher gebracht«, sagt Avner. »Und weil sie selbst etwas beitragen, fühlt sich jeder, als wäre es sein eigenes Event. Es gibt keine Unterscheidung zwischen Produktionscrew und Besuchern«.


Für ihn und viele andere auch sei dies eine seltene Gelegenheit, Verantwortung für etwas Eigenes zu übernehmen. Während das sonst oft eher als Last wahrgenommen werde, vor der man lieber davonlaufe, sei es hier eine Möglichkeit gewesen zu wachsen. »Durch die Verantwortung konnte man hier die eigene Vision Wahrheit werden lassen«, stellt er zusammenfassend fest. Avner versuchte deshalb, möglichst zu vielen Vorschlägen »Ja« zu sagen. Jeder sollte spüren, dass man mit seiner Kreativität beitragen kann, was man will. Egal welche Ideen oder Fertigkeiten man einbringt. »Ich fühle mich nicht, als ob das mein eigenes Ding wäre, sondern jeder, der Interesse hat, soll mitmachen können«. So entstanden neben Sharons Glitter-Camp auch die mit riesigen Teddybären ausgelegte Cuddle-Puddle »Huggzilla«, der an eine Mondlandschaft erinnernde »Out of Space«, Toilettenhäuschen in denen entweder Weihnachts- oder Diskothekenstimmung herrschte, oder auch ein Ort, an dem aus alten Kleidern nach Maßgaben der eigenen Fantasie neue Kostüme genäht werden konnten.


Bei jeder Veranstaltung gibt es auch ein paar unvorhergesehene Schwierigkeiten. Als es losging, sagte sich Avner aber: »Okay, ab jetzt kein Planen mehr!« Er wollte das Kind selbst laufen lernen lassen, es würde seinen Weg schon finden. Vieles kam also anders als geplant oder hat am Ende nicht geklappt. So sollte ein digitales »Playa-Portal« via Zoom mit anderen zeitgleich stattfindenden Burn-Events vernetzt werden. Obwohl alles vorbereitet war, scheiterte die Installation schließlich aufgrund technischer Schwierigkeiten. Gestört haben diese kleineren Abstriche kaum, konnte man doch sonst im thailändischen Dschungel ungeahnte Freiheiten genießen. »Koh Phangan fühlte sich dieses Jahr wie der perfekte Ort für das Event an«, erinnert sich Avner. »Es ist klein und hat eine sehr starke Community. Die thailändischen Grenzen sind schon seit April geschlossen, es kommen also kaum noch neue Leute an. Alle kennen sich jetzt fast ein halbes Jahr lang, und dementsprechend eng sind die Verbindungen.«


Vielleicht soll es nächstes Jahr eine weitere Ausgabe des Koh Phan Burhns geben. Dann wahrscheinlich im Mai oder Juni, kurz nach der Hochsaison. Avner überlegt das in der Hoffnung, dass er und seine Mitstreiter am liebsten wieder in Nevada beim großen Vorbild Burning Man mitmischen wollen. Dort fanden sich am gleichen Wochenende übrigens doch noch einige tausend Burner zusammen, obwohl das Event offiziell abgesagt worden war. Sie reisten einfach trotzdem an und veranstalteten eine Mini-Ausgabe ihres Lieblingsfestivals. Ähnliche Geschichten hört man auch von anderen improvisierten Zusammenkünften nach Burn-Prinzipien in Europa oder auch Südamerika. Ein »normales« Festival zu machen, reizt Avner übrigens nicht mehr. Man habe ihm zwar angeboten, auch mal ein kommerzielles Festival zu organisieren. Aber die Idee, etwas auf die Beine zu stellen, nur um damit Geld zu verdienen, fühle sich nicht mehr gut an. Stattdessen will er lieber auf den Tag warten, wenn es Zeit ist, sich dem nächsten Burn zu widmen.


Bis es soweit ist, will er versuchen, die Prinzipien der Burner ein bisschen mehr ins eigene Leben zu integrieren. »Mir gefällt das Schenken wirklich sehr, das mache ich jetzt mehr und mehr. Bei diesem Burn habe ich außerdem viel über Kommunikation gelernt. Ich musste alle einzeln kennenlernen. Verstehen, was sie motiviert und wie man mit ihnen reden muss — nur so konnte ich helfen, ihre Vision zum Leben zu bringen. Das war neu für mich, aber sehr zufriedenstellend.« Einen ähnlichen Mehrwert erhofft er sich auch für die Gesellschaft als Ganze. »Der Spaß beim Burn ist zwar wichtig, aber damit hört es nicht auf — alles in allem könnten die Burner so etwas wie die Wegbereiter sein für einen andere Art, die menschliche Gesellschaft zu gestalten. Mit Freude, Kreativität und von Herzen. Man kann die Prinzipien nicht einfach eins zu eins auf die westliche Welt über­tragen. Aber es ist der Anfang eines Wandels im Kopf der Leute, wie wir unsere Leben führen können.«