Füße im Wasser, Schmetterlinge im Bauch

Milla Meets Moses

Shannon Murphy erzählt ungewöhnlich von der ersten Liebe eines krebskranken Teenagers

Milla hat Krebs, fortgeschrittenes Stadium. »Milla Meets Moses« könnte trotzdem kaum weiter entfernt sein von all den Jugendroman-Verfilmungen über sterbenskranke Mädchen, die ihren Mitmenschen noch Lektionen über das Leben erteilen. Die australische Regie-Debütantin Shannon Murphy kennt diesen Tropus natürlich und spielt gelegentlich mit ihm: In ihrer grünen Perücke und dem Satinkleid sieht Milla aus wie eine Waldnymphe, eine Reinkarnation des manic pixie dream girl, aber manchmal trägt sie auch Glatze zum Tomboy-Style, und auf einer Party gibt sie die Lolita im 80er-Jahre-Look. Wie sich Scanlen in einer fließenden Bewegung die Lippen ohne Spiegel dunkelrot schminkt und mit dem kleinen Finger die Konturen des Lippenherzens säubert, bevor der geklaute Lippenstift wieder in ihrem BH verschwindet — man vergisst ständig, wie es um sie steht. In seiner episodischen Struktur spart »Milla Meets Moses« die Szenen im Krankenhaus, der Chemo-Therapie und den schlaflosen Nächten aus. Der Film konzentriert sich stattdessen auf die zwischenmenschliche Dynamik. Gleich in der ersten Szene trifft Milla auf Moses, einen Drogendealer von der Straße mit purpurnen Schatten um die Augen. Sie sind ein ungleiches Paar, und für ihre Eltern ist Moses ein Alptraum, aber weil Milla es so will, hängt er ab sofort häufig im Einfamilienhaus herum. »Sie ist nicht stark genug, um so eine erste Liebe zu verkraften«, befürchtet ihre Mutter. Aber da haben wir schon genug vom Familienleben gesehen, um zu verstehen, dass man sich eher um sie eher sorgen muss als um Milla. Vor allem wie Shannon Murphy, 2019 mit »Milla Meets Moses« im Wettbewerb von Venedig vertreten, die Musik einsetzt, bleibt in Erinnering. Einmal musizieren Mutter und Tochter gemeinsam, und als einer schwangeren Zuschauerin die Fruchtblase platzt, will sie sich still hinausschleichen, um die Magie des Augenblicks nicht zu stören. Man versteht das: Emotionen entstehen im Film nicht, weil getragene Melodien die Schlüsselmomente umspielen, sondern meist ganz ohne Musik. Der Soundtrack — von Mozart bis Sudan Archives — wird vielmehr selbst zur Erzählinstanz. Mal spannt die Musik einen dünnen Faden zwischen den Figuren, dann wieder bewegt sich Milla wie im Traum über eine Tanzfläche und projizierte Feuerwerke erscheinen ihrem Gesicht  — in »Milla Meets Moses« zählt jeder Augenblick.

(Babyteeth) AUS 2019, R: Shannon Murphy, D: Eliza Scanlen, Toby Wallace, Essie Davies, 118 Min.