Intimität und Inszenierung

»I Am Greta«

Nathan Grossmanns Doku blickt hinter die Kulissen der Inszenierung um die Klimaaktivistin

Dieser Film war von Anfang an dabei. Schon an einem der ersten Tage im August 2018, als Greta Thunberg ihren Schulstreik fürs Klima begann — die Kamera zeigt sie von fern, aber ein Mikrofon lauscht ganz nahe mit, als Greta sich mit einer älteren Dame unterhält, die ihr rät, doch besser in die Schule zu gehen. Kurz darauf sieht man ein anderes, besonders schönes Bild: Sie sitzt da wirklich allein auf den Straßen Stockholms, und winkt einem kleinen Mädchen zu, das sie anguckt.

Diese beiden Momente der frühen Greta zeigen die Ambivalenz, die diesen guten, sehr interessanten Dokumentarfilm durchzieht: Einerseits lernt man hier eine Greta kennen, die man bisher nicht kannte: Nämlich ein fröhliches Kind von gerade mal 15 Jahren, das ihre Hunde liebt, das in freien Minuten gern tanzt, das sehr viel lacht und ausgelassen sein kann, und auch ihrer medialen Präsenz und der öffentlichen Greta gegenüber ironische Distanz wahrt.

Auf der anderen Seite steht die mediale Inszenierung. Denn so authentisch Greta hier auch sein mag, so sind diese »privaten« Momente eben nicht privat, sondern immer von einer Kamera begleitet, und von Greta und ihren Eltern für die globale Öffentlichkeit freigegeben. Das mag ohne böse Absicht geschehen sein — aber bestimmt nicht zufällig. Wir sehen gerade in diesem Film nämlich auch, wie intelligent Greta ist, wie wach und selbstbewusst. Sie selbst beschreibt ihre Auftritte in der UNO und anderen Orten sehr schnell als Rollenspiel und als »fake«. Sie durchschaut die Mechanismen der Öffentlichkeit. Und das offenbar von Anfang an. Denn Mikrofon und Kamera waren ja schon an den ersten Tagen dabei.

Auch sonst behält der Dokumentarfilm vom Schweden Nathan Grossmann, der Thunberg sogar auf ihrem berühmten Segeltörn über den Atlantik persönlich begleitete, immer den Sinn für die Ambivalenzen seines Themas, etwa wenn er das Plakat eines Greta-Fans zeigt, auf dem zwar »It’s time to rebel« geschrieben steht, dann aber ein Plakat, auf dem Greta mit einer Krone zu sehen ist — Rebellen, die neue Königinnen krönen. Mitunter ist sich dieser Film ein bisschen zu sicher, was gut und richtig ist — das macht ihn nicht besser, sondern schlechter, genau wie zu viel eingesetzte Kitschmusik, die die Bilder nicht nötig haben.

In jedem Fall wusste hier jemand von Anfang an: Das wird ein ganz großes Ding. So gesehen ist die ganze Greta-Sache vielleicht doch wieder nicht ganz so unschuldig, wie man es gerne hätte.

(dto) SWE 2020, R: Nathan Grossmann, 97 Min.