Kämpfer gegen rassistische Ausbeutung: Baha Targün beim Ford-Streik 1973 | Foto: Gernot Huber

Das Gesicht des Ford-Streiks

Baha Targün war 1973 ein Streikführer in den Ford-Werken. Jetzt ist er gestorben. Ein Nachruf.

Wir wissen nicht viel über den Menschen Baha Targün. Im August erreichte uns die Nachricht aus der Türkei, dass er nach einem Unfall auf einer Klettertour am 17. Juli dieses Jahres im Alter von 77 Jahren im Krankenhaus von Zonguldak seinen Verletzungen erlegen ist. Nach seiner Beteiligung am Streik von 1973 war Baha noch einige Jahre in Deutschland geblieben und kehrte dann in die Türkei zurück. Danach wollte er öffentlich nicht mehr über seine Aktivitäten in Deutschland sprechen.

Aber wir haben Baha Targün nie vergessen. Der Streik in den Kölner Ford-Werken im August 1973 hat eine große Rolle in unserem Leben gespielt und das Wirken von Baha in diesem Streik hat uns nachhaltig beeindruckt. Diese sechs Tage Streik und Fabrikbesetzung vom 24. bis 30. August 1973 gelten heute als der Höhepunkt und Abschluss einer Welle von wilden Streiks im Sommer 1973. In ihnen meldeten sich vor allem die damals als »Gastarbeiter« bezeichneten migrantischen Arbeiterinnen und Arbeiter zu Wort, kämpften gegen ihre besonders extremen Ausbeutungsbedingungen und stellten die rassistische Spaltung der Arbeiterklasse in Frage.

Er kämpfte für viele

Bei Ford in Köln arbeiteten damals 12.000 aus der Türkei stammende Menschen, sie mussten in Wohnheimen hausen und waren den täglichen Schikanen und dem mörderischen Arbeitstempo in den Fabrikhallen ausgeliefert. Aus Gewerkschaft und Betriebsrat wurden sie systematisch ausgegrenzt, und die Gewerkschaft zeigte sich nicht sonderlich interessiert daran, auf ihre besonderen Probleme als rassistisch unterdrückte Gruppe einzugehen.

Als nach den Werksferien im Sommer 1973 Hunderte von Arbeitern, die zu spät aus dem Urlaub zurückgekommen waren, entlassen werden sollten, explodierte die Situation. Es formierte sich ein Demonstrationszug durchs Werk mit den Forderungen, niemanden zu entlassen, den Lohn um eine D-Mark zu erhöhen und den Urlaub auf sechs Wochen zu verlängern. Nachdem die Unternehmensleitung darauf nicht einging und auch der Betriebsrat nur zur Rückkehr an die Arbeit aufrief, bildeten die Streikenden ein selbstständiges Streikkomitee und organisierten die Besetzung der Fabrik und der Werkstore.

Ab diesem Zeitpunkt spielte Baha Targün eine entscheidende Rolle als Sprecher und Mitorganisator dieses Streiks. Obwohl er erst seit wenigen Monaten bei Ford arbeitete, gelang es ihm immer wieder, seine Landsleute zu motivieren und in eindringlichen Worten dem Management die Entschlossenheit der Streikenden zu vermitteln. In seiner Ausgabe vom 3. September 1973 brachte der Spiegel unter der Schlagzeile »Wilde Streiks — Lohnpolitik auf eigene Faust« ein Bild von Baha, wie er eine Demonstration durch die Ford-Werke anführt, und gab dieser Streikwelle damit ein Gesicht.

Im Streik ist es nicht gelungen, die rassistische Spaltung zu überwinden, was es den vereinten Kräften von Polizei, Werkschutz, Betriebsrat und Unternehmensleitung leicht machte, den nun als »Türkenstreik« abgestempelten Arbeitskampf mit nackter Repression niederzuschlagen. Trotz des gewaltsamen Endes hat der Ford-Streik zu weitreichenden Veränderungen geführt. Die Arbeiter aus der Türkei hatten ihre Macht gezeigt und sollten sich in den kommenden Jahren weiter in diese Gesellschaft hineinkämpfen. Den Rassismus konnten wir damals genauso wenig abschaffen wie den Kapitalismus. Aber die Erinnerung an diesen Kampf ist ein wichtiges Moment unseres aktuellen Widerstands. Und für diese Erinnerung steht Baha Targün noch heute.

Text: Hasan Doğan, Dieter Heinert, Reiner Schmidt (Mitglieder des Streikkomitees 1973), Peter Bach, Fritz Funk, Klaus Müller

Gedenkveranstaltung: Eine für den November geplante große Veranstaltung zu Baha Targün und dem Streik von 1973 musste aufgrund der steigenden Corona-Infektionen abgesagt werden. Sie wird zu Targüns 1. Todestag am 17. Juli 2021 nachgeholt. Infos: ford73.blogsport.de