Gym-Magazin: Die Alternative zum Fitnesscenter-Abo

Muckis fürs Gehirn

Das Kölner Literaturmagazin Gym will einen egalitären Zugang zum Literaturbetrieb. Sein literarisches Vorbild ist das Fitnessstudio

»Ich mag keinem Club angehören, der mich als Mitglied nimmt«, mit diesem Telegramm verkündete Groucho Marx Anfang des letzten Jahrhunderts seinen Austritt aus einem Comedy-Club. Auch heute begegnet man allzu häufig der Frage, ob man nun »drin« oder halt »draußen« ist — in or out. Ob man mitmischen darf, etwa im Literatur- oder Kunstbetrieb, auf Bühnen oder abseits davon, wird meist bestimmt von Vorsitzenden, Vorständen oder (Kuratoren-)Teams.

Für die Macher des neuen Literaturmagazins »Gym« gibt es auch in heutigen Zeiten ein Refugium der Basisdemokratie, wo jeder mitmachen darf: das Fitness-Studio. So heißt es von den Heftmacher*in­­nen: »Kraftsport ist für alle da: professionelle Bodybuilder*innen wie Freizeitsportler*innen; alle, die von Langeweile, Minderwertigkeitskomplexen, Depressionen oder vom Rückenschmerz geplagt werden; Idealist*innen, Besessene und Verrückte.« Selbstverständlich geht die Analogie nicht ganz auf: Geld kostet der Zugang zum Gym in der Regel schon, marginalisierte Menschen können durchaus auch Ausgrenzungserfahrungen machen. Ab von dieser kleinlichen Kritik versteht man jedenfalls, was die beiden Herausgeber Naïd Karimi und Pascal Tarris, sowie die Redakteurin Suelyn Tarris machen wollen. Und so liegt nun seit einem Monat das erste Heft auf 154 Seiten vor — in Köln, wo das Ehepaar Tarris studiert und gelebt hat, etwa bei Funk Magazine oder in der Buchhandlung Klaus Bittner.

Gerade im Vergleich mit dem wohl ausgesuchtem Literatur-Magazin-Sortiment Klaus Bittners erkennt man, wie sich das Magazin abgrenzen möchte. Die Aufmachung springt ins Auge. Lärmendes Gelb und Schwarz, im langen A5-Format zum steten Mitführen in der Gesäßtasche. Mit diesem Heft soll gearbeitet werden.

Der Begriff  der Arbeit tritt in Folge häufiger in den Vordergrund dieses Heftes. Die Einführung verkündet gleich, dass die Autor*in­nen »lernende, lehrende, arbeitende, arbeitssuchende, einfach nur arbeitslose oder ihren Ruhestand genießende« Menschen seien. Eben nicht ein weiteres Organ des Betriebs, sondern ein Magazin »nahe am Menschen« versucht man zu sein. Was durchaus gelingt: Im Auftakt »wirtschaft du geile« gibt sich die Erzählerin der Wirtschaft zur Sex-Gespielin hin — wie es in der Lohnarbeit schlicht Alltag ist. Die Wiener Physikerin Esma Ahmedi vermengt hier Twitteratur mit Jelinek-haften Wortkaskaden. Der Arzt Harald Kappel nutzt für seinen lyrischen Experimentalaufbau »Wellenfunktion« die Unwahrscheinlichkeit der Quantenphysik.

Der Open-Call, der Grundlage der Autor*innen-Auswahl war, bietet einen erfrischenden Einblick: In ein Literatur-Magazin, das nicht von Agent*innen, sondern von schreibenden Menschen geprägt ist.

»Gym–Heft für Literatur als Kraftsport«, 158 Seiten, 7,50 Euro, gym-magazin.de