Liebe jenseits aller Vorurteile: »Ernest und Celestine«

Liebe in allen Formen

Das Kölner Kinderfilmfest Cinepänz widmet sich in einem Sonderprogramm dem Thema »Liebes­geschichten«

Freundschaft, Fürsorge, Vertrautheit, Anziehungskraft — Liebe hat viele Aspekte und Ausdrucksformen. Wenn ein Film für Erwachsene eine Liebesgeschichte erzählt, bedeutet das meistens dennoch vor allem eins: romantische Liebe. Aber muss das so sein?

Das Kinderfilmfestival Cinepänz beweist mit der Themenreihe »Liebesgeschichten«, dass es sich lohnt, von unterschiedlichen Formen der Zuneigung zu erzählen. Und im Jahr von Corona und Social Distancing werden solche Geschichten ganz besonders gebraucht. Im Programm haben familiäre Liebe und Freundschaft ebenso einen Platz wie liebevolle Fürsorge über kulturelle Unterschiede hinweg und erste romantische Verstrickungen. Dabei geben die Veranstaltenden achtsame Empfehlungen, für welche Altersgruppen die Animations-, Kinder- und Jugendfilme angemessen sind.

In der Beziehung zu den Eltern machen Kinder die erste Erfahrung mit Liebe, hoffentlich eine geprägt von Geborgenheit, Vertrauen und Bedingungslosigkeit. Doch schon ein Geschwister fügt diesem Erleben einen »fremden« Aspekt hinzu, der für die Kinder nicht ohne Weiteres zu verarbeiten ist. Insbesondere wenn dies, wie in »Die Melodie des Meeres« (empfohlen ab 8 Jahren), mit dem Verlust eines Elternteils einhergeht. Mit der Geburt der kleinen Schwester Saoirse verliert Ben seine Mutter; diese Tragik belastet die Geschwisterbeziehung, noch dazu spricht Saoirse nicht, und es zieht sie immer wieder zum Meer. Als sie eines Nachts wieder in der Brandung gefunden wird, nimmt die Großmutter die Kinder mit in die Stadt, aber Ben macht sich heimlich auf den Weg zurück zum Vater. In dem Animationsfilm wächst die Liebe zwischen den Geschwistern im Lauf ihrer märchenhaften Reise, bei der alte irische Sagengestalten zum Leben erweckt werden. Sowohl die Erzählung, in der Raum für komplexe Gefühle ist, wie der visuelle Stil voller keltischer Ornamente stellen eine wohltuende Abwechslung zu den herkömmlichen Animationsfilmen aus Hollywood dar.

Auch der französische Animationsfilm »Ernest und Celestine« (empfohlen ab 6 Jahren) zeichnet sich durch seine kindgerechten, auf das Wesentliche reduzierten Bilder aus, die der Buchvorlage sehr nah bleiben. Der Film erzählt davon, wie sich Ernest und Celestine überhaupt kennen- und liebenlernen, trotz unterschiedlicher Herkunft und unterschiedlichem Aussehen. Denn als Maus lebt Celestine im Untergrund und sollte die Bären in der Stadt über sich eigentlich fürchten: Angeblich fressen Bären Mäuse! Trotzdem hilft die mutige Maus dem hungrigen Bären, der ihr im Gegenzug ein Zuhause bietet, wie es das Waisenkind niemals hatte. Die turbulente Geschichte voller skurriler Einfälle und anarchischem Witz beleuchtet, wie die liebevolle Fürsorge zweier Persönlichkeiten füreinander auch kulturell festgeschriebene Vorurteile überwinden kann.

Dass Liebesgeschichten stets auch unter dem Einfluss der Gesellschaft stehen, in der sie sich entwickeln, macht ein Jugendfilm wie »Sharayet — Eine Liebe in Teheran« (empfohlen ab 12 Jahren) deutlich. In einer Welt, in der westliche Kultur auf religiöse Moralvorstellungen stößt, suchen die Freundinnen Atafeh und Shirin Raum für ihre Individualität, die sexuelle Anziehungskraft zwischen ihnen muss jedoch ein Geheimnis bleiben. Die Koproduktion aus dem Iran, Frankreich und den USA scheut nicht vor deutlichen Bildern und ebensolcher Sprache zurück, die das Publikum herausfordern. Es lohnt sich jedoch, sich dem zu stellen, denn die Erzählung stellt aktuelle Fragen zum Verhältnis von Freiheit und Moral. Und zeigt, dass Liebe zu sich selbst Rebellion bedeuten kann, wenn die eigene Identität im Widerspruch zu herrschenden Normen und Regeln steht — ein bewegendes Thema nicht nur für Jugendliche.

Die Themenreihe des Kinderfilmfestivals wird mit ihrer Bandbreite an »Liebesgeschichten« sowohl Kinder und Jugendliche wie auch ihre Eltern berühren und den Blick öffnen für die Facetten der Liebe, die wir den Menschen in unserer Umgebung entgegenbringen können.

 

Cinepänz — Kölner

Kinderfilmfest
Zum 31. Mal veranstaltet das jfc Medienzentrum in diesem Jahr das Kinderfilmfestival Cinepänz. Aufgrund der dynamischen Infektionssituation lässt sich zum Redaktionsschluss noch nicht sagen, welche Hygienemaßnahmen in den Kinos eingehalten werden müssen, informieren Sie sich also am besten auf der Homepage des Festivals. Den Hauptteil von Cinepänz machen die 36 Kinder- und Jugendfilme aus, die in vier unterschiedliche Kategorien gegliedert sind: »Kölner Premieren«, »Panorama«, »Entwicklungspolitische Filmreihe« und die Themenreihe »Liebesgeschichten«. Mehrere Filme dieser Kategorien laufen im Original­ton mit Untertiteln und werden für die jüngsten Zuschauer simultan auf Deutsch eingesprochen für einige wird auch eine Übersetzung in Gebärden­sprache angeboten.


Um die aktive Auseinandersetzung mit dem Medium zu fördern, können Kinder an Workshops und anderen Aktivitäten teilnehmen. Schon eine Woche vor dem Festival werden interessierte Nachwuchs-Reporter für die Festival-Woche fit gemacht, um dann auf spinxx.de über die gesehenen Filme zu schreiben. Wer sich eher für die technischen Hintergründe interessiert oder selbst künstlerisch tätig werden möchte, kann zum Beispiel ein eigenes Filmplakat gestalten, eine virtuelle Tour durch das Trickfilmstudio Lutterbeck mitmachen oder sogar eigene Trickfilme erstellen.

Sa 14.– So 22.11., div. Orte
Infos: cinepaenz.de