Im Konsumrausch: namenlose Zombies

Zombie — Dawn of the Dead

George A. Romeros Schocker von 1978 scheint so aktuell wie nie

 

Plötzlich herrscht Chaos: Experten schreien einander an, allgemeiner Tumult im Studio, Verzweiflung im Schaltraum, die im Fernsehbild eingeblendeten Infos, die Menschenleben retten sollen, stimmen längst nicht mehr. Eine Gesellschaft löst sich auf. Panik. Wenn nicht mal mehr die Medien wissen, was Sache ist — wer dann?

George A. Romeros Einstieg in seinen Zombie-Apokalypse-Klassiker »Dawn of the Dead« (1978) ist legendär und effektiv: Von Anfang an ist klar: Nichts ist mehr, wie es war. Alles vor dem Weltuntergang ist gerade noch Material für nostalgische Referenz, aber keine Gegenwart mehr. Jetzt regiert das blanke Gehetztsein, immer nur weiter — ohne Plan, ohne Fluchtpunkt. Schieres Überleben in Permanenz. Wer das im neunten Monat der Corona-Pandemie sieht, erlebt im eskalierenden Medienkulturinfarkt dieser ersten Minuten ein Déjà-vu.

Es bleibt nicht dabei: Romero wandelt das klaustrophobische Belagerungssetting seines stilbildenden »Night of the Living Dead« (1968) um zu einem adrenalinsatten Lockdown-Actionfilm. Hier wie dort verbarrikadiert sich eine zusammengewürfelte Gruppe vor dem Ansturm der lebenden Toten, die sich auf der Suche nach Gedärm aus den Gräbern erhoben haben. In »Night« war es ein Bauernhaus, hier ist es eine Shopping Mall mit allem Komfort des Konsumkapitalismus der 70er Jahre. Eingesperrt sein mit Menschen, die man immer weniger mag, umstellt von stapelweise Vorräten, während draußen der Tod anklopft — Erinnerungen an den Prepper-März 2020 werden wach.

Tom Savinis blutige Splattereffekte zehren von seinen Vietnamkriegs-Erfahrungen, Romeros Affekt-Inszenierung zielt auf grimmige Katharsis. Beides brachte dem damals auch in Deutschland sehr erfolgreichen Film ein Totalverbot auf Heimmedien ein. Mittlerweile ist diese dümmliche Intervention der Sittenwächter*innen vom Tisch und der Blick auf diesen fulminanten Beitrag zur Geschichte eines linken, zornigen Genrekinos wieder frei. Romero schwingt in seiner Konsumkritik zwar den Holzhammer, doch darunter liegt eine differenziertere Sicht auf die Welt. Die Zombies sorgen für den Schrecken, der eigentliche Horror steckt aber in den Unzulänglichkeiten der Lebenden: Gier, Egoismus und die Unfähigkeit zur Erkenntnis der eigenen Lage führen zu immer neuen Katastrophen.

Dieser Klassiker scheint so aktuell wie nie: der passende Film zu einer chaotischen Gegenwart im Zeichen von Coronakrise, Klimawandel und einem in Hysterie versinkenden US-Wahlkampf.

(Dawn of the Dead) USA/I 1978, R: George A. Romero, D: David Emge, Ken Foree, Gaylen Ross, 120 Min.