Unsentimental schlicht, aber raffiniert komponiert: Zwei typische Stankowskis © Jochen Stankowski, 1985, 1971

Uneitel radikal

Mit ihren Plakaten haben Jochen und Martin Stankowski das politische Köln geprägt

Linke und Kunst — ein ganz schwieriges Thema, gerade weil so viele Künstler auch Linke waren. Wo endet die Autonomie der Kunst und beginnt der politische Auftrag? Oder ist das schon die falsche Frage? Der Ausstellungskatalog »AnSchläge. Plakat aus 5 Jahrzehnten« der Brüder Jochen und Martin Stankowski, gleichzeitig eine Dokumentation ihrer gemeinsamen politischen Arbeiten, vermisst ein noch heikleres Terrain: Agitprop.

Agitprop ist »Form follows Function« in seiner offensichtlichsten Art, hier geht es nicht um ein ausbalanciertes Verhältnis von Kunst und Politik, sondern allein um die Botschaft — heißt es. Die Pointe der Plakatarbeiten und öffentlichen Interventionen der Stankowski-Brüder besteht nun darin, dass die »Function« selbst eine Form besitzt, die ästhetisch vermittelt sein muss, um ihren Zweck — die politische Aufklärung — zu erfüllen. Jochen hatte das bei seinem Onkel Anton Stankowski gelernt, einem der bedeutendsten Grafiker und Künstler des Konstruktivismus des 20. Jahrhundert. Er reduzierte seine Bildsprache auf ein Minimum an Elementen und streng abgezirkelte Formen, die er dann aber überraschend frei und unbefangen kombinieren konnte. Von ihm stammt das Logo der Deutschen Bank. Jochen, selber Grafiker — er gestaltet bis heute die Bücher des Merve Verlags — und freier Künstler, übertrug diesen Formenkanon und die ausschließlich rationalen Gestaltungsmittel auf politische Plakate. Die geraten dadurch unsentimental und schlicht, sind aber doch so raffiniert komponiert, dass ihre Gestaltung der »eigentlichen« Botschaft ebenbürtig ist — und dadurch die Botschaft umso mehr unterstreichen.

Diese Botschaft stammte nicht selten von seinem Bruder Martin, auch heute noch eine der bekanntesten kritischen, links engagierten Stimmen im städtischen Diskurs. Beide Stankowskis gründeten 1972 in Niehl eine selbstverwaltete Druckerei, sie engagierten sich mit Wandzeitungen für die Sozialistische Selbsthilfe Köln und unterstützen Ende der 70er Jahre den heftigen Häuserkampf um bezahlbaren und selbstbestimmten Wohnraum. Beide waren beim 1974 gegründeten »Kölner Volksblatt« aktiv, dem »Zentralorgan für Bürgerinitiativen«.

»AnSchläge« ist ein praktisches Anschauungsbuch. Man findet hier viele Beispiele, wie man abseits des Mainstreams und zugleich uneitel und ohne Effekthascherei gestalterisch arbeiten und politisch agitieren kann. Sich damit auseinanderzusetzen ist kein Feierabendspaß. Denn wie gesagt: Weniges ist so schwierig wie das Verhältnis der Linken zur Kunst.

Jochen & Martin Stankowski: »AnSchläge. Plakate aus 5 Jahrzehnten«, Verlag der Buchhandlung Walther König, Köln 2020, 84 Seiten, 16 Euro