Worst Sitzung ever: »Karneval der Liebe« an der Deutzer Werft

Karneval der Ignoranz

Am 11.11. war es ruhig in der Stadt. Nur eine ­Anti-Corona-Demo setzte schlechte Pointen

 

Deutschland, 1943: In den Kinos läuft der NS-Film »Karneval der Liebe«. Johannes Heesters spielt darin einen Tenor, der bei einem Auftritt in Köln seine alte Liebe wiedertrifft. Es kommt zu Irrungen, dann zu Wirrungen, dann zu einem Happy End. Währenddessen tobt vor den Kinosälen der »totale Krieg«.

Köln, 2020. Wegen der Corona-­Pandemie fällt der Auftakt zur Karnevalssession am 11.11. aus. In der Innenstadt ist es leer. Wo ansonsten Jecken toben, stehen gelangweilte Polizist*innen. Nur auf der Deutzer Werft hat sich ein 150 Personen großes Grüppchen »querdenkender« Jecken versammelt — im Rahmen einer Demonstration gegen die Corona-Maßnahmen. Ihr Motto: »Karneval der Liebe«.

Der Nationalsozialismus hatte an diesem 11.11. öfters einen Gastauftritt. Organisatorin Bianca Paffenholz etwa sah in den Corona-Maßnahmen eine Parallele zur ­NS-Zeit, wofür sie in ihrer Rede ein Zitat des NS-Wirtschaftsministers Hermann Göring (»ein Scheiß-Nazi«) bemühte. Ansonsten war sie der Ansicht, dass sich Deutschland »endlich einmal davon lösen sollte, immer nur der dumme Nazi zu sein«, weil Franco »eigentlich viel schlimmer als Hitler« gewesen sei. Nach ihrer Rede lief »Ein direktes Lied«, der Song der Offenburger Homöopathin Perin Dinekli, der auf Corona-Demons­trationen in ganz Deutschland gespielt wird. Darin ist von Kindern die Rede, die jedes Jahr verhungern, ohne dass sich jemand dafür interessiere. Wie viele? Rein zufällig: sechs Millionen.

Anti-Corona-Songs wie »Ein direktes Lied«, eine Coverversion von »Bella Ciao« (»Corona Ciao«) oder Techno-Tracks mit Anti-Masken-Slogans waren der Soundtrack zum »Karneval« der Liebe. Songs wie diese zeigen, wie die »Quer­denker«-Szene sich stabilisiert und eigene subkulturelle Zeichen bildet, hinter denen sich verschiedene Ideologien vereinigen. Einige zeigten Mottosprüche gegen den öffentlich-recht­lichen Rundfunk, andere hielten Corona für eine Erfindung der Medien. Auch Bill Gates und der »deep state« waren beliebt auf den Plakaten, T-Shirts und Buttons. Einen besonderen Platz im Herzen hatte sich jedoch »Q« reserviert. Der angebliche US-Regierungs-Insider postet auf dem Imageboard »8kun« Andeutungen über einen Putsch durch liberale Eliten, die dann als eine Art Fanfiction von seinen Anhänger*innen mit Internet-Recherchen weiter­geschrieben werden. Das gleiche Prinzip findet man in der Telegram-Gruppe von »Köln ist aktiv«, wo ­ein Weltbild aus Anti-Corona-Info-Häppchen von vermeintlichen Spezialisten geformt wird.

Allerdings kennt dieses Weltbild anscheinend keine juristischen Details. Am Morgen der Demonstration hatte das Oberverwaltungsgericht in Münster den Quer­den­ker*innen einen Erfolg beschert. Die Stadt Köln hatte eine generelle Maskenpflicht für die Demo verfügt, sie wurde aufgehoben. Die allgemeine NRW-Corona-Schutzverordnung war jedoch weiter gültig und sieht eine Maskenpflicht für Demos mit mehr als 25 Menschenvor. An der Deutzer Werft wurde diese ignoriert, die Polizei verwies die Teilnehmer*innen schließlich der Demo. Ein Happy End hatte dieser »Karneval der Liebe« nicht.