Getränkemarkt, Straße oder Gemeinschaftsgarten? Das Appelmann-Gelände am Merheimer Platz

Graf Koks vom Grüngürtel

Die Stadt verschläft die Planung für ein Grundstück am Nippeser Lohsepark

Seit Monaten kleben Zettel am Tor des Getränkemarkts »Colonia« am Merheimer Platz in Nippes, mitten im Grüngürtel gelegen. Sie stammen vom Kölner Amt für Landschaftspflege und Grünflächen. Der Getränkemarkt, der hier seit 1977 steht, hatte Ende Mai für immer geschlossen. Viel mehr ist seitdem nicht passiert.

»Vielleicht einmal in der Woche ist da einer vom Grünflächenamt zu sehen«, sagt ein Mitglied des Urban-Gardening-Vereins »Garten am Mer«, der hinter dem Getränkemarkt auf derselben Asphaltfläche Hochbeete aufgestellt hat. In der Halle des Markts, so groß wie ein Tennisplatz, sei ein einziges Fahrzeug des Grünflächenamtes geparkt. Zusammen mit den rund 600 Quadratmetern, die für fünf Jahre an den Gartenverein verpachtet wurden, misst das Grundstück 1.600 Quadratmeter. Es gehört der Stadt Köln. Auf die Anfrage, es für die Recherche zu besichtigen, reagiert die Stadt nicht.

Am 6. Januar schon erreichte die Kündigung des Mietvertrags durch den Getränkemarkt die Stadtverwaltung. Vorausgegangen war ein mindestens dreijähriger Streit mit Betreiber Karl-Adolf Kulartz. Er hatte den Getränkemarkt 1981 von seinem Schwiegervater übernommen, dem mittlerweile 89-jährigen Hans Josef Appelmann. Auf dessen Namen lief auch der Pachtvertrag mit der Stadt. Kulartz stellte dies vor ein Problem: Sollte sein Schwiegervater sterben, hätte die Stadt ihm mit einer Frist von drei Monaten kündigen können — zu kurzfristig für eine geordnete Schließung.

»Seit 2016 habe ich mich deshalb beim Liegenschaftsamt um einen neuen Pachtvertrag bemüht,« sagt Kulartz, »keinen langfristigen, aber einen mit Sicherheit für uns beim Versterben meines Schwiegervaters«. Zuletzt habe er im November 2019 beim zuständigen Mitarbeiter des Amts vorgesprochen. »Der hat sich aufgeführt wie wie Graf Koks. Ich habe ihn deshalb für den Amtsleiter gehalten,« erinnert sich Kulartz. Der Mitarbeiter habe einen neu aufgesetzten Vertrag in der Schublade gehabt, ihn aber verweigert. Kulartz kündigte umgehend seinem schwerbehinderten Mitarbeiter wegen dessen halbjähriger Kündigungsfrist. Sein Schwiegervater kündigte den Pachtvertrag zum 30. Juni 2020. Kulartz sagt: »Uns blieb nichts anderes übrig.«

Mitvertrag mit Benefits

Im März wollte das Presseamt auf Anfrage Kulartz’ Darstellung nicht bestätigen. Zeitgleich aber sei ein bestürzt wirkender Mitarbeiter bei ihm aufgetaucht, berichtet Kulartz, und habe ihm einen neuen Vertrag angeboten. Kulartz lehnt ab. Daraufhin bekommt Kulartz ein Schreiben zum Gegenzeichnen vorgelegt. Die Stadt Köln werde das Gelände bei der Übergabe »übernehmen und anschließend von hier aus und unter ihrer vollständigen Entlastung die Aufbauten niederlegen«. Mündlich habe der Mitarbeiter hinzugefügt »Aber keine Presse!«, sagt Kulartz. Für ihn ein Signal: Durch Plaudern gefährde er die reibungslose Übergabe. Die Aussicht: kein genaues Hinschauen, keine Extrakosten. Und so kam es. Mindestens 5000 Euro habe er allein dadurch gespart, dass er Einbauten wie den Getränkekühlraum nicht ausbauen und entsorgen musste, erzählt der Geschäftsführer. Seine Frau und er überbrücken die Zeit bis zur Rente nun mit Arbeitslosengeld. Neben dem schwerbehinderten Kollegen verloren auch einige Aushilfskräfte ihre Jobs.

Kurz nach der Schließung Ende Mai wurden in der Öffentlichkeit Fragen laut, wie man mit dem asphaltierten Gelände umgehen solle, das auf drei Seiten an die  Kleingärten des Vereins Flora e.V. grenzt. Altlasten gibt es auf den Flächen laut Presseamt nicht. Die Bezirksvertretung Nippes bat die Stadt im Juni, »das Grundstück wieder in den Grünbereich Kleingärten/ Lohsepark zu integrieren und zu entsiegeln.« Die Stadtverwaltung versicherte am 3. September, gleich nach Vertragsende des Getränkemarkts sei »ein entsprechender Rückbauauftrag erteilt worden.« Was damit gemeint ist, ist unklar. Es müsse eine Ausschreibung für den Abbruch geben, stellt das Presseamt auf Anfrage klar — das ist noch nicht geschehen. Rund 100.000 Euro werde allein der Abriss kosten, schätzte ein Amtsmitarbeiter, sagt Kulartz. Ob das aus dem laufenden Etat schon 2021 möglich ist?

Der Eventmanager Roland Schmitz würde das Gelände gern gemeinsam mit dem Urban-Gardening-Verein für ein »Café mit nachhaltigem Konzept« nutzen — als Zwischennutzung. Die Stadt wehrte ab. Das Gelände werde ja genutzt — vom Grünflächenamt. Der gut mit der Lokalpolitik vernetzte Kleingartenverein Flora e.V. hat auch mit der Stadt Köln gesprochen, möchte aber keine Details nennen. Laut einer Sprecherin plane die Stadt nun, zusammen mit Flora e.V. eine Nutzung. Dabei stünden nicht typische Kleingärten im Vordergrund, sondern ein Gemeinschaftsgarten. Aber erst durch Nachfrage der Stadtrevue stieß die Stadtverwaltung darauf, dass im Bebauungsplan für das Gelände keine Grünfläche, sondern eine Straße vorgesehen ist: eine Abfahrt für die längst begrabene Stadtautobahn. Das muss erst geändert werden. Bis zum ersten Spatenstich im Grün dürfte es also noch etwas länger dauern.