Marlis Bredehorst

Die Fenster weit aufgestoßen

Marlis Bredehorst war für Oberbürgermeisterin Henriette Reker eine Schwester im Geiste. Ein Nachruf

Der 11. Oktober 2020 war ein schrecklicher, schmerzhafter, ein trauriger Tag. Für eine Ehefrau, für zwei kleine Kinder, für viele viele Menschen in unserer Stadt und darüber hinaus — und auch für mich ganz persönlich. Es war der Tag, an dem Marlis Bredehorst gestorben ist.

Marlis Bredehorst kannte ich schon sehr viele Jahre. Wir hatten regelmäßig miteinander zu tun, denn wir waren Kolleginnen — sie als Sozialdezernentin in meiner Heimatstadt Köln, ich in derselben Funktion in Gelsenkirchen. Da kennt man sich, tauscht sich aus, telefoniert regelmäßig. Sie war keine Paragrafenreiterin, sie war eine Front­kämpferin, die ihre Positionen — ob als Sozialdezernentin in Köln, als Staatssekretärin in der NRW-­Landesregierung oder zuletzt als Mitglied der Kirchenleitung der Evan­gelischen Kirche im Rheinland — immer dazu nutzte, für die Schwä­cheren in unserer Gesellschaft einzutreten, ihre Probleme kleiner zu machen, ihr Leben lebenswerter oder wenigstens weniger beschwerlich.

Als Marlis Bredehorst 2003 Sozialdezernentin in Köln wurde, war das bundesweit Meldungen wert: Sie war die erste grüne Beigeordnete Kölns. Stolz stellten die Grünen sie der Presse vor — und Marlis Bredehorst machte von Beginn an deutlich, dass sich mit ihr für ganz Köln, und nicht nur hier, etwas ändern würde. Sie stellte schon in dieser ersten Pressekonferenz klar, dass sie in einer lesbischen Beziehung lebt. Dass sie für die »Ehe für alle« eintritt. Dass sie für Frauenrechte und die Rechte der LGBTIQ*-Bewegung eintritt. Bei ihr war sofort klar: Das sind keine Lippenbekenntnisse — sie meinte das ernst. Sie hat die Stadtarbeitsgemein­schaft Lesben, Schwule und Transgender initiiert, die Stelle eines Behindertenbeauftragten geschaffen, den Runden Tisch für Flüchtlingsfragen eingerichtet und unter Beteiligung von rund 300 Fachpolitiker*innen und Vertreter*innen von Religionsgemeinschaften und Trägern der freien Wohlfahrtspflege das Konzept zur Stärkung der integrativen Stadtgesellschaft erarbeitet.

Marlis Bredehorst hat die Fenster, viele Fenster, weit aufgestoßen — und diese Fenster lassen sich nicht mehr schließen, egal, wie sehr es stürmt. »Es hat sich viel geändert«, sagte sie zuletzt. »Es macht mich stolz, dass meine Frau und ich und unsere Kinder Teil davon sind.«

Dank ihrer Leidenschaft und ihrer Beharrlichkeit auch in schwierigen Fragen gelang es Marlis Brede­horst, viele Meilensteine für das soziale Köln zu setzen — so viele, dass sie mir mit ihrer Bilanz beeindruckend große Fußstapfen hinterließ, als ich ihr im Dezember 2010 nachfolgte.

Im Stil unterschieden wir uns zweifellos voneinander. Aber uns verband eine klare Haltung in wesent­lichen Themen: die Ziele der gesellschaftlichen Teilhabe und Chancengerechtigkeit für alle. Die Überzeugung, dass die Vielfalt eine der großen Stärken nicht nur Kölns ist — und Integration keine Einbahn­straße. All das führte zu einer großen, ehrlichen Verbundenheit und — ja — einer stabilen Freundschaft.

Was mich an Marlis Bredehorst immer besonders fasziniert hat, war ihre Zugewandtheit und ihre positive Lebenseinstellung. Ihre Frau hat sie »Hoffnungskünstlerin« genannt. Ihr Glas war immer voll und ihr herzliches Lachen ansteckend. Sie spielte großartig Trompete und hat nicht selten auch anderen »den Marsch geblasen«. Allerdings war sie am Ende immer versöhnlich.

Marlis Bredehorst war eine starke, umtriebige, kampflustige Frau, die ihr Leben in hohem Tempo lebte. Es ist sehr traurig, dass sie nicht mehr bei uns ist. Ihre letzte Ruhestätte liegt in unmittelbarer Nähe von Gräbern, in denen Obdach­lose bestattet werden; das würde ihr gefallen. Marlis Bredehorst wird fehlen. Zuallererst ihrer Frau und ihren wunderbaren Kindern. Aber sie fehlt auch dem sozialen Köln, den Menschen, denen sie in ihrer knappen Freizeit Hilfe leistete. Und Marlis Bredehorst fehlt mir — als Gesprächspartnerin, als Schwester im Geiste. Und vor allem auch als Freundin.