Trifolium mit Pressesprecherin: Björn Braun, Sven Oleff und Gereon Glasemacher mit Tanja Holthaus vom Festkomitee

»Karneval kann nicht vielfältig genug sein«

Prinz Sven Oleff, Jungfrau Björn Braun und Bauer Gereon Glasemacher amtieren wegen Corona als ­erstes Kölner Dreigestirn zweimal, diese und kommende Session

Verehrte Tollitäten, wie geht’s nach dem 11.11.?

Jungfrau Björn »Gerdemie« Braun: Noch sind wir ganz berauscht: Die emotionale Andacht im Dom, der Countdown auf 11 Uhr 11, und dann haben wir 111 Weckmänner ans me­dizinische Personal im ­Heilig-­Geist-Krankenhaus in ­Longerich verteilt.

Prinz Sven I. Oleff: Mich hat auch beeindruckt, dass sich die ganze Stadt daran gehalten hat, eben nicht zu feiern. Mir schien es sogar noch ruhiger als an einem normalen Werktag. Weil viele sich den Tag freigenommen hatten, aber ihn nur zu Hause im engsten Kreis begangen haben.

Was macht ein Dreigestirn, wenn Corona den Karneval killt?

Sven I.: Corona kann den Karneval gar nicht killen! Karneval ist ein Gefühl, fest verankert in den Herzen. Wenn die Jecken nicht zu uns kommen können, dann kommen wir zu den Jecken — das ist unsere Devise.

Jungfrau Gerdemie: Wir werden Wege finden, den Frohsinn in den traurigen Zeiten zu den Menschen zu bringen. Die karitativen Einsätze des Dreigestirns sind jetzt umso wichtiger. Zur Not stehen wir im Innenhof eines Pflegeheims und sprechen zu den Menschen an den Fenstern oder per Videoübertragung! Es wird Formate geben, die auch nach Corona Bestand haben werden, kleinere Formate auch in den Veedeln. Das wird den Karneval bereichern.

Sie amtieren zwei Sessionen. Einmal Warmlaufen während Corona und im Jahr drauf dann richtig, wenn alle geimpft sind?

Bauer Gereon Glasemacher: Das werden sehr unterschiedliche ­Sessionen. Wir werden zwei verschiedene Dreigestirne darstellen, mit verschiedenen Konzepten. Die zweite Session wird nicht ­routinierter sein, das wollen wir auch nicht.

Manches am Corona-Karneval ist womöglich besser: weniger Müll, keine Schnapsleichen, kein Krawall. Würden die Papas unter Ihnen Ihre Kinder eigentlich zum Feiern indie Altstadt lassen?

Sven I.: Meine Tochter ist drei! Aber wenn sie Karneval feiern will, wonach es jetzt schon aussieht, würde sie sicher in eine Kindertanzgruppe gehen. Dort lernt man den kölschen Karneval von einer anderen Seite kennen. Von denen wird später niemand am 11.11. betrunken in der Ecke sitzen.

Auch dem Karneval wird vorgeworfen, er werde von alten, weißen Männern geprägt. Was ist dran?

Sven I.: Das Bild in den Medien finde ich verstaubt. Wir wollen das korrigieren und haben ja auch zweimal die Gelegenheit, weil wir wegen Corona diese und die kommende Session haben. Es hat sich viel getan: Das Festkomitee hat eine Vizepräsidentin, es haben sich viele Damen-Garden zusammen­geschlossen ...

Der Karneval wird immer facettenreicher, von der traditionellen Sitzung bis zur Techno-Sause. Okay für Sie?

Jungfrau Gerdemie: Der Karneval kann nicht vielfältig genug sein! Alle haben ein Recht, ihn so zu feiern, wie es für sie passt. Wir sehen das in der Vielfalt der Bands: Das alte Ostermann-Krätzjer findet auch bei jungen Leuten Anklang, genauso wie die großen Bands auch Pop und Rock spielen. Der Karneval bietet Veranstaltungen mit Drei-Gänge-Menü, aber auch die Keller-Party.

Sven I.: Vor 50 Jahren waren die Bläck Fööss ein Tabubruch, bei Brings war es ähnlich — heute sind sie die Top-Nummern. Man darf nicht am Alten festhalten.

Jungfrau Gerdemie: Wir arbeiten auch an neuen Formaten, ohne das Brauchtum zu verraten. Wer nicht mit der Zeit geht, der geht mit der Zeit. Der Karneval hat immer auch was Revolutionäres, Anarchisches.

Anarchisch bedeutet auch: Keine Regeln! Aber worüber darf man keine Witze machen?

Bauer Gereon: Wenn es beleidigend und diskriminierend wird. Nicht jede Rede trifft den richtigen Ton. Da gab es auch im Karneval negative Beispiele. Und wenn die letzten verbliebenen Herrensitzungen die schlimmsten Klischees bedienen, hört’s für mich auf.

Jungfrau Gerdemie: Wir müssen aufpassen, dass der Karneval nicht von gewissen Kreisen instrumentalisiert wird. Etwa die Kostüme, die Leute ausgrenzen — das ist kein Karneval! Der Jeck diskriminiert nicht, der Jeck führt zusammen! Da muss man aufpassen.

Muss man seinem Kind verbieten, als Indianerin zu gehen?

Jungfrau Gerdemie: Ein Kostüm dient dazu, aus dem Alltag auszubrechen, mal jemand anderes zu sein, Clown, Feuerwehrmann, In­dianerin... Anthony Modeste hat dem FC über viele Jahre Erfolge beschert. Wenn ein Fan als Hommage an Modeste im FC-Trikot geht und sich wie er stylt — dann ist das als Wertschätzung für den Menschen gemeint. Tut man das, um zu diskriminieren, ist es aber absolut unangebracht! Dagegen muss man sich wehren!

Sie können sich Ihr Kostüm nicht aussuchen. Wie unangenehm ist es für Sie als Prinz eigentlich, ständig eine Strumpfhose tragen zu müssen?

Sven I.: Och, ich finde das ganz bequem. Sitzt auch hervorragend. Ich überlege, sie öfters zu tragen. (lacht)

Bauer Gereon: Also die Jungfrau und ich tragen keine Strumpfhose wie der Prinz, aber es ist so ähnlich. Ich selbst trage unter den Ketten-Applikationen Laufbekleidung. Das sitzt nicht unbedingt luftiger als ’ne Strumpfhose.