Platz für 2000 Zuschauer: UFA Palast am Ring 1935, Foto: Privatbesitz Tabertshofer

Lebende und singende Bilder

Die neu gestaltete und überarbeitete Homepage von Köln im Film lädt zum Streifzug durch die Kölner Film- und Kinogeschichte ein

Die Homepage des Vereins Köln im Film lässt nicht nur mit Wehmut an Zeiten ohne Lockdowns zurückdenken, sondern auch an Zeiten vor, zwischen und nach den Weltkriegen, als Köln ein cineastischer Hotspot war. Eine Stadt, die bereits Ende des 19. Jahrhunderts Filmpioniere zu Drehs und Vorführungen einlud.

Seit 2008 ist Köln im Film im Netz präsent, nach mehr als einem Jahrzehnt sah der Verein die Zeit für einen Relaunch des Internetauftritts gekommen. Neu ist, dass noch mehr als beim Vorgängermodell mit Bildern und Fotos gearbeitet wurde, um den Sehgewohnheiten der Nutzer*innen entgegenzukommen. »Wir wollen die Besucher und Besucherinnen der Seite ganz anders ansprechen und nutzerfreundlicher durch die Angebote führen«, erklärt Marion Kranen vom Vorstand, »die Seite ist wie eine Schatztruhe, mit der sich die Besucher*innen auf eine Entdeckungsreise durch die Kölner Filmgeschichte begeben können«.

Zu den Schätzen gehören unter anderem Filmaufnahmen, die 1896 in Köln gemacht und gezeigt wurden — die ersten Filmvorführungen in Deutschland überhaupt. Zu sehen waren — und sind auf der Homepage — die »Ankunft eines Eisenbahnzuges«, »Am Kölner Dom nach dem Hauptgottesdienst« und »Feierabend in einer Kölner Fa­brik«. Nicht ganz zufällig ist diese Fabrik jene der Gebrüder Stollwerck in der Kölner Südstadt, die früh das Potenzial des neuen Mediums erkannten und umgehend zu Werbezwecken nutzten. Dafür ließen sie »Operateure« des Unternehmens Lumière aus Lyon an den Rhein kommen, die mit ihren Kameras die Kölner Szenen bei bestem Sonnenlicht einfingen. Die Vorführungen der »lebenden Photographien«, wie sie genannt wurden, waren ein Publikumsmagnet, für 50 Pfennig Eintritt wollten viele Kölner*innen die bewegten Bilder ihrer Stadt sehen, zwei Monate lang liefen die Kurzfilme täglich im 30-Minuten-Takt.

Die Kölner Filmgeschichte ist auf der neuen Homepage in Kapitel aufgeteilt, auf »Erste Filmaufnahmen 1896« folgen Kapitel wie »Film und Kino im Ersten Weltkrieg«, »Jüdisches Leben vor 1945«, »Kölnfilme in den 1950er-Jahren« oder auch »Kölns Musikszene im Film«. Auch die Datenbank wurde neu gegliedert, von A bis Z werden hiesige Personen, Kinos und Filme aufgelistet, untereinander vernetzt und mit Verweisen gespickt. Wer bei den Personen den Kölner Schriftsteller Rolf Dieter Brinkmann anklickt, bekommt eine Kurzvita mit dessen filmischen Referenzen zu sehen, beispielsweise Brinkmanns Bezug zur le­gendären Kölner Filminitiative XSCREEN, die Underground- und Experimentalfilme in happening­artigen Veranstaltungen präsentierte. So funktioniert koeln-im-film.de wie ein erhellender Streifzug durch oft unbekanntes Terrain, bei dem man sich von Straßen in Gässchen und unbekannte Winkel treiben lässt, und sich irgendwann mit Genuss und Gewinn verläuft.

Auf einem interaktiven Stadtplan sind alle existierenden und längst vergessenen Kinos zu ent­decken, dort befindet sich das Cinenova in Ehrenfeld dann in unmittelbarer Nachbarschaft zum Ehrenfelder Volkstheater, einem Lichtspielhaus in der Venloer Straße 350, das von 1907 bis 1915 »lebende und singende Bilder« zeigte, wie es in einer zeitgenössischen Annonce hieß.

Doch die Homepage ist nicht nur ein historisches Archiv. Natürlich sind auch aktuelle Veranstaltungen von Köln im Film, Publikationen des Vereins und Termine der beliebten Stadtführungen zur Kinogeschichte übersichtlich geordnet und schnell zu finden. »Das Projekt ist mit dem Relaunch nicht beendet«, betont Filmjournalistin Kranen, »wir recherchieren im In- und Ausland in den einschlägigen Archiven nach weiteren Fundstücken zur Kölner Filmgeschich­te«. Dabei komme es immer mal wieder zu Zufallsfunden: »In einem Bremer Archiv haben wir vor einigen Jahren einen Film entdeckt über den Kölner Rosenmontagszug 1936, den wir nicht kannten. Überrascht waren wir, dass die Zwischentitel auf Englisch waren. Wir konnten recherchieren, dass das ein Film war aus dem Bordprogramm von Hapag-Lloyd für die großen Passagierschiffe, die zwischen Bremerhaven und New York verkehrten.« In dem Film sind antisemitische Mottowagen und Karikaturen zu sehen, ein weiterer Beleg dafür, wie sich der Kölner Karneval unter der NS-Herrschaft angepasst hatte.

Der Relaunch war nicht mit den Mitteln eines Jahresbudgets des Vereins zu stemmen. Noch sind nicht alle Kinderkrankheiten der neuen Homepage beseitigt, manche Links laufen ins Leere und auch das Lektorat ist noch nicht ganz abgeschlossen, aber das mindert das Lese- und Schauvergnügen nicht, wenn prachtvolle Kinos wie der von Wilhelm Riphahn entworfenen Ufa-Palast auf dem Hohenzollernring (heute Cineplex Filmpalast) aufpoppen, der im Oktober 1931 bei seiner Eröffnung knapp 2000 Besuchern Platz bot.

Auch andere Zahlen und Daten machen sentimental: 1957 besuchten 17 Millionen Kölner*innen Vorführungen in 87 über die ganze Stadt verteilten Kinos mit insgesamt 45.000 Plätzen. Dass es dann immer weniger wurden, hat viele Gründe: das Aufkommen von Fernsehen, Video und zuletzt Streamingdiensten sind nur drei davon. Welche filmhistorische Rolle Corona spielen wird, ist noch offen, auch Köln im Film hat alle anstehenden Veranstaltungen ins nächste Jahr verschoben. Selbst wenn Pandemie und Relaunch jetzt nur zufällig zusammenfallen: Mit den Ange­boten im Netz wurde eine sehr gelungene Ergänzung und Kompensation geschaffen.

koeln-im-film.de