Ungeplant auf dem Ambient-Floor: Len Faki

Mehr Raum für Ruhiges

Der Produzent Len Faki definiert Klangumgebungen

Lange schon gehört Len Faki zu den gefragtesten internationalen Techno-­DJs. Bis Anfang des Jahres tourte der Berghain-Resident regelmäßig um die Welt, drei Gigs am Wochenende waren keine Seltenheit. Aber auch in diesen Tagen des Stillstandes hat er genug zu tun, führt er mit Figure doch ein renommiertes Label, das ihm und den Wegge­nossen regelmäßig neues Futter für ihre Sets liefert. Jetzt erscheint dort mit »Open Space Volume 1« ausnahmsweis ein Album, das sich komplett abseits von Techno ver­ortet, nämlich im Ambient. Warum das kein Gegensatz, sondern gerade heute besonders wichtig ist, wollten wir von ihm erfahren.

Dass auf Figure eine dedizierte Ambient-Reihe erscheinen soll, könnte zunächst vielleicht überraschen, sind die üblichen Veröffentlichungen des Techno-Labels doch auf Clubs, Festivals und Eskalation abzielende DJ-Waffen. Len Faki sieht darin allerdings eine natür­liche Ergänzung seines Katalogs. »Der Wunsch, den ruhigeren Klängen mehr Platz auf dem Label zu geben, existiert schon seit geraumer Zeit, war aber nie konkret. Ich denke, es gibt für manche Dinge einfach den richtigen Zeitpunkt, an dem so etwas wie von alleine kommt«, gibt er zu Protokoll.

Seine Passion für Ambient fand Faki selbst als Club-Besucher, damals noch im Stuttgart der 90er Jahre: »Ambient war zu der Zeit auf dem sogenannten third floor zu hören, als Ausgleich zu den härteren, schnellen Sounds der Main­floors. Ich bin damals auf Clubnächte gegangen und hab’ ungeplant die halbe Nacht auf dem Ambient-Floor verbracht.« An der Atmosphäre dort gefiel ihm, dass der Fokus dort eher auf dem sozialen und musikalischen Austausch lag. »Man hat Leute getroffen, sich lange unterhalten und auch musikalische Momente ausgetauscht«

Gerade dieser Kontrast zu den halsbrecherischen Main-Floors tat es ihm an. Erst die Mischung von ruhig und sanft mit laut und stark lässt einen den ganzen Sound umso mehr genießen. Eine eigene Reihe für ebenjene sanfte Seite der Elec­tronica sei also kein Widerspruch für Figure, sondern vielmehr sinnvolle Kombination.

Für die zwölf Tracks auf »Open Space Volume 1« (der Titel kündigt bereits eine Fortsetzung für 2021 an) hatte Len Faki unzählige potenzielle Künstler*innen im Sinn und einen konkreten, sich an der emo­tionalen Wirkung der Musik ausrichtenden Sound.

»Ich finde es wichtig, dass die Stücke Gefühle auslösen.« Er fragte explizit nach passenden Beiträgen für die geplante Serie: Zusammengekommen sind Kompositionen von Veteranen wie dem Dub-Tech­no-­Pio­nier Moritz von Oswald, der mit einem so experimentellen wie epischen Drone Stück vertreten ist, oder John Beltran, der eine warme Stimmung mit Streichern und Drums malt, bis zu Newcomern wie Jakojako, die eine lebendige, verträumte Ge­schich­­te mit Acid-Sounds erzählt.

Dass die Veröffentlichung von »Open Space« gerade in eine Zeit geschlossener Clubs fallen würde, ahnte niemand. Faki findet aber, dass in diesen Zeiten die ruhigen Klänge von Ambient umso wichtiger sein können und glaubt fest an die heilende Kraft von Musik. »Es könnte auch wieder mehr Fokus auf Ambient-Floors gelegt werden — momentan gilt die Sorge aber natür­lich erstmal dem Überleben der Clubs!« Trotzdem bemerkt er die steigende Popularität im Ambient-Sektor: »Die Nachfrage ist momentan höher denn je, man kann sich gar nicht satt hören. Es gibt gerade eine tolle kreative Stimmung im gesamten experimentellen Bereich!«

Beim optischen Design der Platte (3×12 Inch Vinyl) dreht Faki den Spieß um und setzt auf den ebenfalls auf den Gegensatz zwischen knallig und soft. So hat die Berliner Illustratorin Anna Rupp­recht ein collagenhaftes, farben­frohes Werk geschaffen, das den Open Space als Fantasiewelt darstellt und in sich Elemente eint, die sich mit der Musik aber auch den verschiedenen Erfahrungen auf und jenseits des Dancefloors assoziieren lassen.

Len Fakis eigener Beitrag zur Compilation klingt übrigens überraschend anders und vertritt als Rap/Spoken Word eine bewusste, zeitgemäße Message. Das Arbeiten mit den Vocals und Beats war für ihn komplettes Neuland, beeinflusste schließlich aber auch die Arbeiten zu seinem geplanten Debüt-Album: »Sämtliche Facetten des Clubkontexts inspirieren mich, und ich möchte das auf meinem Album natürlich musikalisch ausdrücken — Erlebnisse, Atmosphäre, Begegnungen. Nicht nur einen Ausschnitt, sondern auch das Davor, Danach und Drumherum. Für mich bedingt sich das alles gegenseitig, und daher habe ich schon immer auch genauso eine Schwäche für ruhigere und deepe Klänge und finde diese ebenso wichtig wie die schnel­len, härteren Stücke. So gibt es auch an Club-Abenden die gesamte Dynamik an Sounds, je nach Uhrzeit, eben­so was die Stimmung der Gäste betrifft. Das fas­ziniert mich und ist ebenso essen­tiell für mein Album.«

Tonträger: »Open Space Vol. 1«