Performativ: Blonde-Cobra-Festival 2019,

To Stream or Not to Stream

Der November-Lockdown hat den Festivalbetrieb in Köln weitreichender getroffen als im Frühjahr: Wie gehen die Betroffenen damit um?

Es war vor allem das Internationale Frauenfilmfestival, das im Frühjahr in Köln durch die Corona-Pandemie betroffen war. Kurz vor dem Festivalbeginn kam es zum Lockdown, schon gedruckte Kataloge konnten in den Müll geworfen werden, eine stark abgespeckte Version der Veranstaltung fand dann an einem Wochenende im September statt. Im November hat es gleich vier Filmfestivals in Köln getroffen, die ihre Programme schon fertig hatten: das Kinderfilmfestival Cine­pänz, das KFFK / Kurzfilmfestival Köln, das auf den lateinamerikanischen Film spezialisierte Festival Kino Latino und das Iranische Filmfestival, das bereits vom Mai in den November ausgewichen war.

Am wenigsten hat sich für Kino Latino geändert. Der Termin wurde auf Ende Januar verschoben. Dann soll das komplette Programm in der Filmpalette laufen, eventuell mit der Ausnahme von »Was geschah mit Bus 670?« (siehe S. 71), der zum Redaktionsschluss einen regulären Kinostart am 10. Dezember hat.

Cinepänz will das Festival nächstes Jahr im Mai nachholen, zumindest in Ausschnitten. Ob das möglich sein wird, war zum Redaktionsschluss noch nicht klar. Die Frage ist, ob genehmigte Fördergelder aus dem Jahr 2020 ins nächste Jahr übertragen werden können. Das Kulturamt der Stadt Köln hat frühzeitig signalisiert, dass das möglich ist, vom Land NRW hatte Festivalleiter Joachim Steinigeweg noch keine Rückmeldung in der Frage bekommen.

Das Kölner Kurzfilmfestival ist da schon einen Schritt weiter: Alle drei Förderer, Stadt Köln, Film- und Medienstiftung NRW und das Land NRW, haben zugesagt, dass die versprochenen Gelder auch noch im ersten Halbjahr 2021 ausgegeben werden können. Festivalleiter Johannes Dunker plant, ausgefallene Vorführungen in dem Zeitraum nachzuholen, aber eher als Einzelveranstaltungen. Ein Teil des Festivals hat auch bereits online stattgefunden: Zum regulären Festivaltermin Mitte November wurden die Filme aus den Programmsektionen Deutscher Wettbewerb und Kölner Fenster online zur Verfügung gestellt. Die Filme konnten in einem Zeitfenster von 48 Stunden im Netz gestreamt werden, die Anzahl der »virtuellen Sitzplätze« war auf 500 begrenzt.

Das Festival war und ist in der verhältnismäßig »glücklichen« Situation, dass Kurzfilme kaum Möglichkeiten haben, kommerziell ausgewertet zu werden. Daher ist es wesentlich einfacher, für sie Streamingrechte zu bekommen als etwa für Spielfilmproduktionen. Manche Kurzfilme werden sogar von den Filmemachern selber ohne Bezahlschranke ins Netz gestellt. Das gilt zum Beispiel für einen der Höhepunkte des Programms des diesjährigen Festivals: Chloé Galibert-Lâinés »Watching the Pain of Others« findet man als Gratisstream auf der Homepage der Filmemacherin.

Schwieriger ist die Situation für das Iranische Filmfestival, das vom 27. bis 29. November stattfinden soll. Bei Redaktionsschluss war Festivalmacher Amin Farzanefar optimistisch, zumindest für die Dokumentarfilme aus seinem Programm die Online-Rechte klären zu können. Für die Spielfilme scheint das eher unwahrscheinlich, zumal er seinem Publikum gerne eine Abrufbarkeit für zehn Tage anbieten würde, also über den eigentlichen Festivalzeitraum hinaus bis in den Dezember hinein. Denn die Erfahrungen von anderen Festivals mit Online-Anteil haben gezeigt, dass das Streaming-Publikum nur schwer dazu zu bringen ist, Filme in einem kurzen Zeitfenster auch wirklich anzugucken. Ein weiteres Problem: Zugesagte Reisegelder vom Auswärtigen Amt können vom Festival zwar umgewidmet werden, müssen aber bis Jahresende verwendet werden — daher kommt eine (erneute) Verschiebung des Festivals auch kaum in Frage.

Farzanefar kann der momentanen Situation aber auch Positives abgewinnen: »Man lernt für die Zukunft«, sagt er bei einem Telefonat. Er habe mit verschiedenen Festivalmacher im Bundesgebiet gesprochen, wie sie ihre Online-Angebote organisiert haben und so Einblicke gewonnen, die er sonst vielleicht nicht bekommen hätte.

Aber auch wenn einige Kölner Festivals Richtung Streaming schauen, alle hoffen natürlich auf die baldige Rückkehr zu einem weniger restriktiven und zugleich sicheren Kinobetrieb. Johannes Dunker vom KFFK plant zwar, hybride Elemente im Programm der nächsten Jahre fortzuführen, auch weil damit die Reichweite des Festivals über Köln hinaus vergrößert werden kann, aber er sagt auch: »Wir wollen auf jeden Fall zurück ins Kino.« Denn Festivals leben noch stärker als der Kino-Alltagsbetrieb von persönlichen Begegnungen, von Filmgesprächen, von geselliger Atmosphäre, die noch weniger adäquat in die virtuelle Welt übertragen werden können als das Film­erlebnis auf der großen Leinwand.

Von der physischen Präsenz lebt besonders das einzige Kölner Filmfestival, das für den Dezember noch geplant ist. Am zweiten Wochenende des Monats soll zum zweiten Mal das Blonde Cobra — Festival for Queer and Experimental Cinema im Turistarama stattfinden. In guter Tradition des Expanded Cinema sind hier performative Elemente ein wichtiger Teil des Programms — und so etwas wie ein Alleinstellungsmerkmal des Festivals. In Corona-Zeiten eine besondere Herausforderung: Momentan ist geplant, nur ein Fünftel der möglichen Sitzplätze zu belegen. 20 Plätze, die schnell ausverkauft sein werden.

KFFK / Kölner Kurzfilmfestival: In der Mediathek des Festivals können gratis Filme aus den letzten Festivaljahrgängen gestreamt werden: kffk.de/mediathek

»Watching the Pain of Others«: ­chloegalibertlaine.com

Iranisches Filmfestival: Zum Redak­tionsschluss stand noch nicht fest, ob Filme des Festivals bis Dezember online zu sehen sein werden. Aktuelle Infos: iranian-filmfestival.com

Turista­rama. Infos: blondecobra.com