Schrullig und genial: Gary Oldman als Herman »Mank« Mankiewicz

»Mank« von David Fincher

David Fincher geht für sein Herzensprojekt zurück in die Filmgeschichte

Irgendwo im amerikanischen Westen, im Frühjahr 1940: Von Anfang durchzieht diesen Schwarzweißfilm eine geheimnisvolle und mysteriöse Atmosphäre, die an einen Film noir erinnert.

Ein Mann wird auf eine Ranch gefahren, nach einem schweren Unfall geht er an Krücken. Mit ihm kommen seine Pflegerin und eine Assistentin. Die nächsten Wochen wird er hier verbringen. Aber dies ist kein Erholungsaufenthalt, eher ähnelt alles einer privilegierten Gefangenschaft, dem erzwungenen Rückzug in ein Kloster. Der Mann, die Hauptfigur dieses Films, ist Herman »Mank« Mankiewicz, ein bekannter und erfolgreicher, wenn auch etwas aus dem Tritt geratener Drehbuchautor des legendären Hollywood-Studios RKO.

Mankiewicz ist schrullig und auf seine Art genial, aber auch ein schwerer Alkoholiker und sozial derart unerträglich, dass es außer seiner Ehefrau niemand mit ihm aushält. Er soll das Kinodebüt für einen schreiben, der auch den Ruf eines Genies hat: Orson Welles. Der ist als Theatermacher und Autor des Radioknallers »Krieg der Welten« schon berühmt, sein Kino-Können muss er jedoch erst noch beweisen. Darum stellt man ihm mit Mankiewicz einen erfahrenen Könner zur Seite. Die beiden kommunizieren vor allem übers Telefon. Das Ergebnis ist »Citizen Kane«, für viele bis heute der beste Film aller Zeiten. Allemal einer der sagenumwobensten und von vielen Unklarheiten umrankt. Unter anderem umstritten ist, welchen Anteil Welles überhaupt am Drehbuch hatte.

In »Mank« erzählt David Fincher nun mit interessanter Besetzung — Gary Oldman, Amanda Seyfried, Lily Collins — seine Version. Sie ist nicht schmeichelhaft für Welles, dafür um so gnädiger mit Mankiewicz. Aus dessen Leben gegriffen setzt sich »Citizen Kane« hier in dessen Hirn und vor den Augen der Zuschauer zusammen. Zugleich zeichnet »Mank« ein Bild der USA, in der die Exzesse der Oberschicht mit der Korruption einer ganzen Gesellschaft und dem Größenwahnsinn einzelner Superreicher einhergehen — was 2020 durchaus aktuell wirkt.

»Mank« ist bereits seit über zwanzig Jahren Finchers Herzensprojekt. Doch selbst 1997, nach dem Erfolg von »Seven« im Ruf, das größte Jung-Genie seiner Generation zu sein, erlaubte man ihm keinen Schwarzweißfilm. Es musste erst Netflix kommen, um diese anspruchsvolle Feier künstlerischer Kreativität doch noch möglich zu machen. Sie bietet mehr als nostalgische Beschwörung alten Hollywood-Zaubers und Nerd-Kult für Cinephile.

(dto) USA 2020, R: David Fincher, D: Gary Oldman, Amanda Seyfried, Tom Burke, 131 Min.