Foto: RainerMittelstädt, 8. April 1969F

Toi, toi, toi!

Im Theater darf nicht mehr gespuckt werden. Wie wünscht man sich jetzt Glück vor der Premiere?

Der Teufel sitzt auf der linken Schulter. Nah am Herzen, genau dort, wo der Mensch am verletzlichsten ist. Vor einer jeden Premiere gilt es ihn, den rebellischen Knecht, zu vertreiben, auf dass sie denn gelingen möge: Mit heiligem Ernst umarmt man sein Gegenüber, spuckt ihm über die Schulter und murmelt ein dreifaches »toi toi toi«. Wehe dem armen Tor, der darauf mit einem »Danke« antwortet!

In keiner anderen Branche gibt es so viele ungeschriebene Ver- und Gebote, die helfen sollen, das Unglück vom Arbeitsplatz fern zu halten. Doch unter allen — keine echten Spiegel auf der Bühne, Puppen werden mit dem Gesicht nach unten auf dem Requisitentisch gelagert und bloß nicht pfeifen! — hält sich die dreigliedrige Magie des »toi« am hartnäckigsten. »Ich bin genügend gebildet um nicht abergläubisch zu sein, bin es aber trotzdem«, schrieb Dostojewski vor über 150 Jahren. Ob man mit der Verballhornung »toi« den Teufel höchstpersönlich anruft oder sich dem jiddischen Ausruf »tfu, tfu, tfu« gegen den bösen Blick bedient, bleibt offen. Fest steht aber: Das Spucken gilt seit dem Mittelalter als Abwehrzauber gegen den Neid der Geister.

Und damit soll es jetzt vorbei sein? Fürs Erste hat das Virus den Aberglaube trocken gelegt: Der unheilbannende Speichel, den man sich noch vor einigen Monaten mit gespitzten Lippen über die Schulter schleuderte, »Herz an Herz mit dem Bespuckten«, ist zum Risiko geworden. Genau wie 1882, als der Bakteriologe Robert Koch entdeckte, dass Tuberkulose über Tröpfchen übertragen wird — über Schwebeteilchen in der Luft, damals wie heute. Bleibt dem Ensemble nur noch eine angedeutete Umarmung, bevor der Vorhang sich hebt? Ein depressiv anmutendes »Wird schon schief gehen«? Oder schlicht »Hals- und Beinbruch«? Zum Schutz vor einstürzenden Kulissen, Patzern und ermatteten Scheinwerfern kennt das Theater in diesen Zeiten immer noch das Klopfen auf Holz. Das geht im Übrigen zurück auf das Recht eines Matrosen, den Zustand des Mastfußes vor dem Anheuern auf einem Schiff zu kontrollieren. Alles bloß Seemansgarn? Wir hoffen das Beste!