Lebensrelevant statt systemrelevant: Odeon-Kino in der Südstadt

Hoffen auf die Goldenen Zwanziger

Werden Pandemie und Streaming zu den Totengräbern des Kinos? Eher nicht.

Zwei bis drei Jahre brauchten die Kinos, um sich von der Pandemie zu erholen, schätzte Anfang Dezember Petra Rockenfeller, Geschäftsführerin der Lichtburg in Oberhausen, beim (virtuellen) Kinokongress der Film- und Medienstiftung NRW. Dort bezeichnete sie sich als Optimistin. Andere sehen die Zukunft des Kinos pessimistischer, zumindest die ökonomische (siehe auch S. 58). Wenige Tage vor dem Kinokongress hatte der Medienkonzern Warner angekündigt, in den USA sein gesamtes Filmprogramm für 2021, darunter heiß erwartete Titel wie »Matrix 4« und »Dune«, zum Starttermin parallel auch auf ihrer Plattform HBO Max zu streamen, was die Aktienkurse der großen Kinoketten noch am gleichen Tag purzeln ließ.

15 Millionen Euro investiert derweil das Land NRW ab Januar in sein Hilfsprogramm »Film ab NRW«, das den Kinos im Land die nächsten Monate das Überleben sichern soll. Über die langfristigen Wirkungen solcher Zahlungen macht man sich in Düsseldorf allerdings keine Illusionen. »Mit solchen Programmen kann man keinen Megatrend aufhalten«, erklärte der Chef der Staatskanzlei Nathanael Liminski auf dem Kinokongress — und meinte damit die Verschiebung in Richtung Streaming.

Doch weder die optimistische Prognose noch die pessimistische sind letztlich wahrscheinlich. Streaming und die immer weitere Aufrüstung der Heimkinos bedeuten keinen ähnlichen Umbruch wie das Aufkommen des Fernsehens in den 50er Jahren — um die dramatischen Dimensionen zu verdeutlichen: Von 1956 bis 1968 ging die Zahl der Kinobesucher in Deutschland um 75 Prozent zurück. Eine ähnlich eindeutige Entwicklung ist in den letzten Jahren nicht zu beobachten — 2020 ausgenommen. Was Streamingdienste anbieten, ist ein komfortabler Zugang zu attraktiven audiovisuellen Inhalten. Aber sind Inhalte wirklich so wichtig? Ist nicht entscheidender, ob ich für mein Filmerlebnis im privaten Raum bleiben oder rausgehen und etwas gemeinschaftlich erleben will?

Ein Seuchen-Historiker prophezeite kürzlich für 2024 die Rückkehr der vergnügungssüchtigen Goldenen Zwanziger — eine gute Nachricht für Kinos. Und vielleicht ist unsere hiesige düstere Sicht auch allzu eurozentrisch: Die Anzahl der Kinoleinwände weltweit ist von 2015 bis 2019 trotz Netflix um mehr als ein Drittel auf fast 200.000 gestiegen.