Der Letzte macht das Licht aus: DuMont Verlagsgebäude, Foto: Thomas Schäkel / Stadtrevue

Die letzte Vorstellung

Der Kölner Stadt-Anzeiger hat seine einst berühmte Filmredaktion abgewickelt. Ein Nachruf

 »Warten bis es dunkel wird« hieß einmal ein Buch, das Filmseiten aus dem Kölner Stadt-Anzeiger versammelte. Jetzt sind, coronabedingt, alle Kinos dunkel, und wer weiß, welche es noch geben wird, wenn die Pandemie vorbei ist.

Sang- und klanglos aufgelöst wurde Anfang Dezember die Filmredaktion des Stadt-Anzeigers. Redakteur Frank Olbert tritt eine Korrespondentenstelle in der Landeshauptstadt an, und die Kritiken liefert künftig eine Agentur, das Redaktionsnetzwerk Deutschland. Damit endet eine prägende Ära der deutschen Filmkritik. Das Schreiben über Film, der individuelle Blick aufs Kinoangebot, verschwindet aus den Zeitungen und eilt dem Kinosterben voraus.

Tatsächlich gehörten die Filmkritiken im Stadt-Anzeiger einmal zu den besten in Deutschland. Filmfans in der ganzen Republik kauften sich deshalb in den 70er und 80er Jahren die Samstagsausgabe, später erschienen sie dann am Donnerstag. Stilbildend wirkte der spätere Filme­macher Hans-Christoph Blumenberg, der 1966, mit 19 Jahren als Germanistikstudent zur Zeitung gekommen war. Deutlich inspiriert von den französischen Kollegen der Cahiers du cinéma standen er und die freien Mitarbeiter seiner Redaktion für eine cinephile Filmkritik: schwärmerisch und dennoch analytisch, aber wenn es denn sein musste auch mal leidenschaftlich böse. Man sprach von der Kölner Schule der Filmkritik, aus der unter anderem Rolf Wiest, Hans-Peter Kochenrath, Wilfried Reichardt, Helmut W. Banz oder Bodo Fründt hervorgingen. Die beste Feder im Boys Club aber führte eine Frau: Brigitte Desalm, die von 1980 bis zu ihrem Tod 2002 die Redaktion leitete, eine meisterhafte Stilistin, der niemand ein X für ein U vormachte. Zweite treibende Kraft war der Autor Milan Pavlovic, den sie bereits als Schüler entdeckt hatte.

Es kommt nicht oft vor, dass Zeitungsseiten Kultstatus genießen. Mich lockten die klugen und oft verwegenen Filmtexte des Kölner Stadt-Anzeiger erst ins Kino und dann in diesen Beruf; Brigitte Desalm wurde auch meine Mentorin. Bis zuletzt pflegte ihr Nachfolger Frank Olbert das Ressort und seine Tradition und gab noch immer vielen Kölner Kollegen eine Heimat. Was sagt man, wenn man am Telefon einen Text anbieten möchte — und erfährt, dass es die Redaktion gar nicht mehr gibt? Ich war sprachlos. Wie man nicht die richtigen Worte findet, wenn jemand gestorben ist, der immer in unserem Leben war.