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Mit dem Ende der Photokina wird es dunkel in der einstigen Bildmetropole Köln. Ein Nachruf

Der Niedergang der Fotoindustrie schlägt mitunter sonderbare Kapriolen. So konnte man im vergangenen Sommer zum Beispiel mit Kodak-Aktien noch einmal so richtig Geld verdienen. War es etwa so, dass sich die verspätete Spezialisierung des heruntergewirtschafteten Foto-Filmpioniers auf Tintenstrahldruck doch noch ausgezahlt hatte? Im Gegenteil: Eine Förderzusage Donald Trumps sorgte für den kurzzeitigen Aufwind — verbunden mit der Umstellung auf die Produktion billiger Medikamente, Generika, wie sie sonst aus Asien importiert würden.

Gegen den Untergang der Fotometropole Köln helfen dagegen keine Pillen. Nach der Insolvenz der AgfaPhoto GmbH, die bereits Ende 2005 abgewickelt wurde, verliert die Lichtbildbranche nun auch ihren strahlenden Marktplatz: Als »bis auf weiteres ausgesetzt« verabschiedet sich die weltgrößte Fotomesse »Photokina« mit einem leisen Klick. Nach allem Dafürhalten ist es ein Ende für immer. »Die Rahmenbedingungen der Branche bieten leider aktuell keine tragfähige Basis der internationalen Leitmesse für Foto, Video und Imaging«, sagte Gerald Böse, Vorsitzender der Geschäftsführung der Koelnmesse in einer knappen Pressemitteilung.

Nach siebzig Jahren endet damit nicht nur eine Ära in der Wirtschaftsgeschichte. Die Photokina begleitete auch die Kulturgeschichte des Mediums, seine Evolution vom Handwerk zur musealen Kunst. Zwar werde heute mehr denn je fotografiert, so Geschäftsführer Oliver Frese, »doch auch die Integration der Smartphone-Fotografie und -Videografie sowie der Bildkommunikation via Social Media konnten den Ausfall großer Teile des klassischen Markts nicht kompensieren.«

Erst 2019 war »Sander Media«, das legendäre, von den Nachfahren des Jahrhundertfotografen August Sander betriebene High-End-Labor, an den Düsseldorfer Konkurrenten Grieger verkauft worden. Grieger, wo unter anderem Andreas Gursky, Gerhard Richter oder Wim Wenders ihre Prints fertigen, war indes schon 2017 insolvent gegangen und gehört jetzt der britischen Heni-Gruppe. 

Im Allgemeinen redet man im Kunstbetrieb nicht viel über die wirtschaftlichen Infrastrukturen der Produktion. Doch sind sie einmal weg, dann verliert ein gesamter Kunststandort seinen Boden. Tatsächlich erinnert in Köln nur noch wenig an seinen Status in den 1980er und 90er Jahren als führende deutsche »Kunststadt«. Gentrifizierung, exorbitante Ateliermieten, ein kleingesparter Kulturetat und der Abzug bzw. die Aufgabe vieler Galerien haben das Biotop von innen ausgetrocknet. Der Wegfall großer Messen und Ausstellungen Ausstellungen wiederum kostet Köln viele Besucher*innen.

Meine erste Erinnerung an die Photokina waren verschlossene Türen. Wenigstens für den siebenjährigen Super-8-Filmer: Die Photokina war 1974 zur Fachmesse geworden, was sich erst 1988 wieder ändern sollte. Zum Trost brachte mich meine Mutter zu den von L. Fritz Gruber organisierten »Photokina Bilderschauen«, die Mitte der 70er Jahre in der Kölner Kunsthalle und dem Haubrich-Forum ein riesiges Kunstfest waren (beide Orte schon vor langer Zeit von kulturpolitischen Vandalen abgerissen).

Das Medium der Stunde war damals die Tonbildschau — sogenannte Multivisionen von vielen Dutzend parallel geschalteten Diaprojektoren. Wie in einem Memory-Spiel fügten sich die Dias zu kitschigen Blumenwiesen und Abendlandschaften — ich konnte nicht genug bekommen, auch wenn hier fraglos die Industrie über die Kunst triumphierte. Aber beides gehört nun einmal zusammen, auch jedes Gemälde beginnt bekanntlich dort, wo Farben und Leinwand verkauft werden.

180.000 Besucher*innen brachte die letzte Ausgabe der Photokina im September 2018 in die Messehallen. 812 Unternehmen stellten dort aus. Zuletzt trug sie den Untertitel Imaging Unlimited — was eigentlich allgemein genug formuliert war, alles einzuladen, was Bilder macht. Dennoch hat es offensichtlich nicht gereicht. Eine 2018 verkündete Neuausrichtung konnte Branchengrößen wie Nikon, Leica und Olympus nicht mehr zur Teilnahme überzeugen. Corona sorgte schließlich für die Absage der für Mai 2020 geplanten ersten Ausgabe in neuer Form.

In Erinnerung bleiben berühmte Debütanten: Weltpremiere in Köln feierte Kodaks erste Kamera mit eingebautem Belichtungsmesser (1954), der Super-8-Film (1964), der Pocketfilm (1974) oder in den 90ern— welch Götterdämmerung — die Digitalfotografie nebst praktischem Speichermedium: der Kodak-Photo-CD (1992). Berühmte Gäste und Anekdoten gab es, verkehrte man doch sogar in Hollywood: Als Walt Disney auf der Photokina 1956 für seine Farbaufnahmen aus »Geheimnisse der Steppe« geehrt wurde, ließ L. Fritz Gruber es sich nicht nehmen, ihm die Photokina-Plakette in Kalifornien persönlich zu überreichen. Nun ist die ganze Photokina also schon Erinnerung, schwer zu glauben. Aber warten Sie, ich habe irgendwo noch ein Foto davon.