Das war Köln 2020

Was außer Corona noch los war

Die Pandemie hat das öffentliche Leben weitgehend lahmgelegt, sie prägt unseren Alltag und auch die Politik. Und dennoch gab es auch in Köln 2020 mehr als Corona. Rückblick auf ein düsteres Jahr mit einigen wenigen Lichtblicken 

 

9. Januar

#Nachname — Der Fall B.
Wenn Porz bundesweit viral geht, dann ist das kein gutes Zeichen. So ist es auch am 9. Januar, als der CDU-Generalsekretär Paul Ziemiak sich auf Twitter von seinem Parteikollegen, dem Porzer Lokalpolitiker B., distanziert und dabei dessen Nachnamen als Hashtag benutzt. B. hatte zehn Tage zuvor unter Alkoholeinfluss einen Jugendlichen am Porzer Rheinufer angeschossen und soll ihn dabei rassistisch beleidigt haben. Für die Staatsanwaltschaft Köln eine politische Strafsache, für Ralf Höcker, den Medienanwalt von B., eine ungerechtfertigte Vorverurteilung. Höcker streut Zweifel am Tathergang und droht Ziemiak mit juristischen Konsequenzen. Der knickt ein und ändert seinen Tweet. Aber einen viralen Hashtag kann auch ein Medienanwalt nicht stoppen. Was in Porz genau passiert ist, wird ab März kommenden Jahres vor dem Landgericht Köln geklärt. Dann beginnt der Prozess gegen B.

(cw)

 

22. März 2020

Köln geht in den LockDown
Seit dem 11. März stuft die WHO Covid-19 als Pandemie ein. Eine Karnevalsfeier im Kreis Heinsberg wird im Februar zum Superspreader-Event, kurz darauf breitet sich das Virus auch in Köln aus. Um die Pandemie einzudämmen, beschließen Bund und Länder Mitte März weitreichende Einschränkungen: Geschäfte, Kultur- und Freizeiteinrichtungen sowie Spielplätze schließen, es wird eine Kontaktsperre verhängt. Am 13. März schließen Schulen und Kitas in NRW, in Köln müssen 176.000 Kinder und Jugendliche mehrere Wochen zu Hause betreut und unterrichtet werden. Vor allem Kinder aus sozial benachteiligten Familien bleiben auf der Strecke, häusliche Gewalt steigt an. Senioren in Heimen dürfen keinen Besuch empfangen. Menschen in Sammelunterkünften machen auf ihre prekäre Lage aufmerksam: Ihr Zuhause lässt sich nur schwer schützen.

(aa)


9. Mai

Querdenker-DEMOS: Im Zweifel ohne Zweifel
»Ob das alles so stimmt, was die uns erzählen?«, ist erstmal eine berechtigte Frage. Die Aussagen der Wissenschaft zur Pandemie sind widersprüchlich, weil so der Erkenntnisprozess verläuft. Aber auch in Köln gibt es Menschen, deren Zweifel sich zu einem geschlossenen Weltbild verfestigt. Sie treffen sich, um für »Grundrechte« zu demonstrieren — am 9.Mai etwa auf dem
Roncalliplatz. Polizei ist kaum vor Ort. Etwa 300 Menschen ziehen in einer damals verbotenen Demonstration durch Hohe Straße und Schildergasse. Eine Woche später sind Polizei, Antifa und jede Menge Journalist*innen vor Ort. Zu einer Volksbewegung werden die Corona-Skeptiker*innen aber nicht. Am 11.11. wollen gerade einmal 150 Menschen mit »Querdenkern« Karneval feiern. Offenbar ist der Zweifel am Zweifel in Köln doch groß.

(cw)


6. Juni

»Black Lives Matter« — auch in Köln
Zehntausende demonstrieren an der Deutzer Werft. Die Orga­nisator*innen der »Black Lives Matter«-Demo haben nicht mit so vielen Menschen gerechnet. Nach der Tötung George Floyds durch Polizeibeamte in Minneapolis gibt es auch in Köln Proteste gegen Polizeigewalt, Racial Profiling und Alltagsrassismus. Es ist der Erfolg vieler antirassistischer und BIPoC-Initiativen in Köln, deren langjährige Community-Arbeit zumindest für ein Wochenende Aufmerksamkeit erhält. Die ist weiterhin nötig: Bis heute steht die Kölner Polizei im Verdacht, am Ebertplatz Racial Profiling zu betreiben. Im Oktober wird gegen einen Kölner Polizisten ermittelt, der auf der Gedenkveranstaltung für die Opfer des Anschlags von Halle einen Pulli der rechtsextremen Marke »Thor Steinar« getragen har.

(cw)

 

18. Juni

Geißbockheim: Schach ums Rasengrün
Sie sind die begehrteste Kölner Grünfläche: die Gleueler Wiesen im Äußeren Grüngürtel. Der FC möchte dort ein Trainingsgelände bauen, Bürgerinitiativen und Grüne lehnen dies ab. Der Streit dauert schon ein halbes Jahrzehnt, es gibt Alternativvorschläge, Gutachten und sogar ein Wahlkampffoto von OB Henriette Reker, die dort im Stil eines romantischen Gemäldes posierte — ohne Erfolg. Der Rat der Stadt beschließt im Juni mit den Stimmen von CDU, SPD und FDP, dass der FC dort bauen darf. Die Initiativen kündigen rechtliche Schritte an, die sie im November einleiten. Auch im Rat tut sich was: Nach der Kommunalwahl haben die Befürworter des Ausbaus ihre Mehrheit verloren, und der FC muss in die Verlängerung.

(cw)

 

24. Juni

OMZ: Hausbesetzung mit unsicherer Zukunft
Morgens, in Bayenthal. Obdachlose, Wanderarbeiter und Studierende haben in einem leerstehenden Bürogebäude an der Marktstraße das Wohnprojekt »Obdachlose mit Zukunft« gegründet. Das Gebäude befindet sich auf dem Gelände, auf dem das Städtebauprojekt »Parkstadt Süd« entstehen soll. Die Verwaltung lässt am frühen Morgen mehrere Hundertschaften anrücken, um das Haus zu räumen. Dass die Polizei unverrichteter Dinge abrückt, ist einem Aufbäumen von Politik und Zivilgesellschaft geschuldet. Linke, Grüne und SPD poltern. Neben SKM und Südstadt-Pfarrer Hans Mörtter schaltet sich der Reker-Vertraute und ehemalige Bundesinnenminister Gerhart Baum (FDP) ein. Wenige Tage nach der geplatzten Räumung beschließt der Rat, dem Projekt einen anderen Ort anzubieten. Wahrscheinlich wird das OMZ in ein Haus in Deutz einziehen.

(jl)


10. September

Bauruine auf dem Kalkberg
Wer kommt auf solche Ideen? Ausgerechnet der Kalkberg, die einstige Giftmüll-Deponie der Chemischen Fabrik Kalk, soll der beste Standort für eine Rettungshubschrauber-Station sein. Davon war der Rat der Stadt seit fünfzehn Jahren überzeugt, Ende 2011 wird das noch mal bestätigt und konkretisiert. Selbst als Mitte 2015 die im Bau befindliche Station Risse zeigt und Hänge abzurutschen drohen, werben der damalige Stadtdirektor Guido Kahlen (SPD) und Feuerwehr-Chef Johannes Feyrer weiter für den Standort. Jetzt regt sich nicht nur Unmut in der Bevölkerung, sondern auch im Rat. Doch eine Mehrheit hält am Projekt fest: zu viel Geld sei schon investiert worden. Erst im September kommt man mehrheitlich zur Besinnung, das Projekt, das fast 30 Mio. Euro verschlungen hat, wird aufgegeben. Die Rettungshubschrauber starten ohnehin schon seit zwölf Jahren vom Flughafen in Porz.

(bw)


10. September

Sürther Aue: Naturschutz geht vor
Es war eine der längsten Kontroversen der kölschen Politik: Soll der Godorfer Hafen in der Sürther Aue ausgebaut werden oder nicht? Umweltschützer und Anwohner protestieren jahrzehntelang gegen die Pläne, zunächst nur unterstützt von Grünen und FDP, die CDU windet sich, die SPD treibt immer wieder die Pläne voran — zusammen mit der Hafengesellschaft HGK, dem DGB und der IHK. Sie argumentieren, dadurch würden die Straßen von LKW-Fahrten entlastet. Doch die Ausbaugegner wollen eine Verlagerung auf die Schiene und das Naturschutzgebiet Sürther Aue erhalten. Schließlich verabschiedet sich auch die CDU von den Plänen. Im Herbst 2019 kippt die Mehrheit für den Ausbau. Ein Jahr später beschließt der Stadtrat den Rückkauf der Sürther Aue — der Ausbau ist damit endgültig gestoppt.

(bw)

 

13. September

Köln wählt grün
Es ist das, was man ein politisches Beben nennt. Aus der Kommunalwahl gehen die Grünen als eindeutige Sieger hervor und werden stärkste Fraktion im Rat. Zugleich wird die von ihnen unterstützte OB Henriette Reker im zweiten Wahlgang bestätigt; beim ersten Wahlgang hatte sie wider Erwarten nicht die absolute Mehrheit erhalten — ein Achtungserfolg für den SPD-Kandidaten Andreas Kossiski. Die Grünen sind euphorisiert, denn auch in den Bezirksvertretungen können sie nun viele Bürgermeisterinnen und Bürgermeister stellen. Doch die Ernüchterung folgt. Denn die Grünen müssen sich nicht nur SPD oder CDU zum Partner nehmen, sondern auch noch einen Dritten für ein Ratsbündnis finden. Nach langen Verhandlungen verständigt man sich auf ein Bündnis mit CDU und Volt, der pro-europäischen Partei, die aus dem Stand vier Sitze im Rat erringt.

(bw)

18. September

Abstand vom Karneval
Die Pandemie grassiert, aber die Karnevalsfunktionäre überlegen ernsthaft, wie man trotzdem feiern kann. Anfang Mai betonen sie, »dass es eine Session auch im kommenden Jahr geben muss und wird«. Doch »kreative Lösungen für Vereinbarkeit von Abstandsregeln und Brauchtum« scheitern an den steigenden Infektionszahlen — und an der Politik. Am 18. September kommen die Karnevalsfunktionäre von Köln, Düsseldorf, Bonn und Aachen mit der NRW-Landesregierung überein, Karneval abzusagen. Zunächst glaubt man zwar noch, »karnevalistische Kulturprogramme« nach Maßgaben des Pandemieschutzes abhalten zu können. Doch schon drei Wochen später, am 10. Oktober überschreitet Köln die Inzidenzzahl von 50, und Ende des Monats liegt der Wert über 200. Nicht nur der 11.11. ist abgesagt, sondern auch alle Veranstaltungen. Das Dreigestirn darf dafür noch bis zur mutmaßlich normalen Session 2021/2022 amtieren.

(bw)
 

1. November

Der »Lockdown Light« wird verschärft
Am 1. Oktober liegt der Inzidenzwert für Köln noch genau auf dem Schwellenwert von 35 Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner, einen Monat später bereits über 200. Ende Oktober beschließen Bund und Länder den »Lockdown light«. Gastronomie und Veranstaltungsorte müssen schließen, Schulen bleiben vorerst offen. Anfang Dezember verzeichnet Köln mehr als 20.600 Corona-Fälle und 250 Tote. Nachdem der Teil-Lockdown die Neuinfektionszahlen nicht ausreichend senken konnte, geht Deutschland eine Woche vor Weihnachten in den harten Lockdown: Das Kontaktverbot wird auch über die Feiertage verschärft, alle Geschäfte müssen schließen, Kinder sollen nur im Ausnahmefall in Schule und Kita. Die Maßnahmen gelten erstmal bis 10. Januar.

(aa)