Hinter verschlossenen Türen: Kölner Erzbistum

War doch nur gut gemeint

Auf den Missbrauchsskandal im Erzbistum Köln folgt eine desaströse PR-Strategie

Das Kölner Erzbistum bietet derzeit reichlich Anschauungsmaterial für Studierende im Fach Kommunikationswissenschaft. »Die Öffentlichkeitsarbeit des Bistums ist ein beliebtes Thema für Referate über misslungene Krisenkommunikation geworden«, sagt Christian Schicha, der Medienethik an der Universität Erlangen-Nürnberg lehrt. »Da wurden viele Fehler gemacht.«

Es begann mit der Ankündigung von Erzbischof Rainer Maria Woelki, ein Gutachten nicht zu veröffentlichen, das er selbst in Auftrag gegeben hatte. Eine Münchner Kanzlei untersuchte, wann Vorgesetzte im Bistum weggesehen oder vertuscht hatten und so jahrzehntelang sexuellen Missbrauch von Kindern und Jugendlichen durch Kleriker ermöglichten. Woelki unterstellte methodische Mängel und gab Ende Oktober bekannt, einen Kölner Juristen mit einer neuen Untersuchung beauftragt zu haben (siehe SR 1/2021).

Will der Kardinal unliebsame Erkenntnisse unter den Teppich kehren? Woelki geriet selbst unter Verdacht, einen befreundeten Pfarrer aus Düsseldorf geschützt zu haben. Das Opfer habe an der Aufklärung nicht mitwirken wollen, verteidigte er sich. Dem widersprach das Opfer wenig später. Dann sah Woelki Versäumnisse bei der damaligen Opferbeauftragten, doch auch diese widersprach vehement.

In einer Predigt an Heiligabend im Dom bat Woelki dann um Verzeihung — jedoch nicht für eigene Fehler, sondern für das, was die Gläubigen »insbesondere auch an der Kritik an meiner Person ertragen mussten.« Die schlechten Schlagzeilen gipfelten am 5. Januar in einem Hintergrundgespräch, bei dem man acht ausgewählten Journalisten erklären wollte, warum das Münchner Gutachten mangelhaft sei. Gleich zu Beginn bekamen die Journalisten eine Verschwiegenheitserklärung vorgelegt, die sie unterzeichnen sollten. Das Gespräch platzte.

Das Kölner Erzbistum ist das größte in Deutschland und gilt als eines der mächtigsten und reichsten der Welt. In der Hauptabteilung Medien und Kommunikation sind 30 Mitarbeiter beschäftigt. Warum gibt der Bischof ein so verheerendes Bild in der Öffentlichkeit ab?

Joachim Frank ist Chefkorrespondent der DuMont-Mediengruppe und hat den Vertuschungsverdacht gegen Woelki im Fall des Düsseldorfer Pfarrers recherchiert. Er war auch beim geplatzten Hintergrundgespräch zugegen. »Die Vorgehensweise diktieren Spezialisten für Medien- und Presserecht, die auf ihrer Website offensiv damit werben, unliebsame Berichterstattung zu unterdrücken«, so Frank. So beschäftigt das Bistum unter anderem die Kölner Kanzlei Höcker, die mit ihrer Rechtsberatung für die AfD und den türkischen Präsidenten Erdogan bekannt wurde. Carsten Brennecke, ein Anwalt der Kanzlei, habe auch die Verschwiegenheitserklärung verfasst, sagt Frank. »Ich hätte unterschreiben müssen, nie wieder über Inhalte des Gutachtens zu berichten, die ich aus anderen Quellen erfahren würde. Ich hätte damit bei jeder Berichterstattung über die Missbrauchsfälle und die Aufarbeitung den Vorwurf riskiert, dass ich meine Informationen aus dem Pressegespräch habe.« Die Bistums-Pressesprecher hätten sich bei dem Anwalt Brennecke erkundigt, ob man das Gespräch auch so fortsetzen könne. Das habe dieser aber verneint.

Seit seinem Amtsantritt 2014 hatte Woelki schon drei Kommunikationschefs; der letzte, Markus Günther, ging zum Jahreswechsel. Man hört, er habe Woelki geraten, das Gutachten doch zu veröffentlichen. Woelki habe ihn daraufhin aus seinem Beraterstab verbannt. Nun wird ein neuer gesucht. »Aber wer würde dieses Himmelfahrtskommando derzeit übernehmen wollen?«, so Frank.

Aus Bistumskreisen heißt es, man verstehe durchaus, dass Journalisten nicht zusichern können, nie wieder über etwas zu schreiben, das sie auch aus anderen Quellen erfahren können oder ohnehin schon wissen. Mit der Vorstellung des neuen Gutachtens im März schaffe man dann aber endlich die versprochene Transparenz. Auch das alte Gutachten werde dann zugänglich gemacht.

Fragt sich nur, wer dann überhaupt noch zuhört. Die Kirchenaustritte im Bistum haben massiv zugenommen, Termine beim Amtsgericht waren schon Anfang Januar bis Ende März ausgebucht. »Die Luft ist dünn und wird immer dünner«, sagte der Bonner Stadtdechant Wolfgang Picken Mitte Januar in seinem Podcast. Picken sieht sowohl die missglückte Entschuldigung Woelkis als auch das Hintergrundgespräch als gut gemeinte Gesten, »die aber vollkommen entgegengesetzt gewirkt haben.« Es sei »unglaublich, dass man den Erzbischof sehenden Auges in diese Krise manövriert hat. In der Summe fragt man sich: Wer berät den Bischof?« Sind es die Pressesprecher oder die Juristen? Oder Generalvikar Markus Hofmann, der Verwaltungschef? Oder ist Woelki beratungsresistent?

»Es hat Jahrzehnte gedauert, bis die Missbrauchsfälle an die Öffentlichkeit gelangt sind«, sagt Christian Schicha von der Uni Erlangen, dessen Studierende nun den Skandal analysieren. »Wenn zu lange nicht über Missstände berichtet wird, denkt man vielleicht: Das kann so weitergehen.«