Liebeskummer ist zeitgemäß: »Beat Beat Heart«

Von Trüffelschweinen für Trüffelschweine

Der Streamingdienst Filmfriend gehört seit 2019 zum digitalen Angebot der Stadtbibliothek. In der Pandemie wird er vermehrt genutzt

Kate Winslets komödiantischer Rachefeldzug »The Dressmaker«, »Das ewige Leben« mit Josef Haderer und das Roadmovie »Hin und weg«. Diese Filme gehörten 2020 zu den am meisten gestreamten aus dem digitalen Angebot der Stadtbibliothek Köln. Die Kölner*innen setzen in Corona-Zeiten offensichtlich auf Humor und Feelgood-Movies, um die Zeit in den eigenen vier Wänden erträglicher zu gestalten. Und immer mehr Bibliotheksnut­zer*innen entdecken das filmische Online-Programm ihrer Stadtbücherei. »Gleich zu Beginn der Krise im März konnten wir die Nutzerzahl bereits verdoppeln«, so Frank Daniel, zuständig für die Lizenzierung der digitalen Angebote der Stadtbibliothek, »seit dem zweiten Lockdown im Winter erreichen wir noch höhere Zahlen.«

Seit November 2019 zählt auch der Streamingdienst Filmfriend zum Angebot, der ausschließlich über Bibliotheken genutzt werden kann. Um die 3.000 Filme und Serien befinden sich im ständig wachsenden Repertoire unter koeln.filmfriend.de. Arthouse, Klassiker, Dokus und Kinderfilme bilden die Schwerpunkte des Video-on-Demand-Portals, das von Köln aus kuratiert wird. In der Südstadt verhandelt Horst-Peter Koll mit Filmverleihern und Lizenzgebern über Nutzungsrechte für den nichtkommerziellen Dienst. Der frühere Chefredakteur von filmdienst.de ist seit zwei Jahren als Kurator für Filmfriend tätig. Er kennt auch die Entstehungsgeschichte, die vor zehn Jahren in Potsdam mit der Gründung der Filmwerte GmbH begann. Deren Geschäftsführer Andreas Vogel realisierte als erstes Projekt alleskino.de — unter anderem mit dem Kölner TV- und Filmproduzenten Hans W. Geißendörfer. »Die glaubten fest an die Idee des Streamings und nahmen viel Geld in die Hand, aber damals haben alle abgewunken — Filme im Internet zu verbreiten, galt als völlig abwegige Idee«, beschreibt Koll die schwierigen Anfänge. So sei es zu einer neuen Überlegung gekommen, 2017 wurde Filmfriend aus der Taufe gehoben. Der entscheidende Unterschied zu allen anderen Streamingdiensten war und ist, dass dieser sich an Bibliotheken als Kulturträger und deren Mitglieder richtet.

Von der Südstadt durch die Republik

Zunächst gingen Berliner Bibliotheken Kooperationen mit Filmfriend ein, inzwischen sind es bundesweit 270 Büchereien. »So makaber es klingt, ein großer Teil kam dank der Corona-Krise hinzu«, so Koll. »Bis dahin war es ein sehr mühseliges Unterfangen, Bibliotheken als Partner zu gewinnen. Erst im Lockdown gingen viele dazu über, verstärkt digitale Angebote zu schaffen und zu bewerben, so dass sich eine echte Erfolgsgeschichte entwickelt hat.« Aber nicht nur Bibliotheken, auch die Filmverleihe mussten anfänglich überzeugt werden: »Mit uns können Lizenzgeber bei weitem nicht so viel Geld wie mit Netflix oder Amazon machen, wir müssen also auf anderen Wegen Vertrauen gewinnen«, so Koll, und das gelinge, »weil auch die Verleiher zunehmend erkennen, welchen Wert die nichtkommerzielle Auswertung in kulturellen Einrichtungen wie Bibliotheken hat.«

Zehn Mitarbeiter*innen beschäftigt Filmfriend mittlerweile, dazu kommen Freiberufler wie Kurator Koll, wodurch Personal- und Betriebskosten überschaubar blieben. Gleichwohl hege man in Potsdam Wachstumspläne, möchte nach Österreich und der Schweiz auch Bibliotheken in Frankreich und den Benelux-Ländern miteinbeziehen. Mit den zu erwartenden Mehreinnahmen könnte man Frank Daniel in der Kölner Stadtbibliothek eine Freude machen: »Ich wünsche mir mehr Blockbuster«, sagt der Leiter der digitalen Dienste, der selbst das hauseigene VoD-Angebot nutzt. Doch es sind weniger Mainstreamfilme und große Kassenerfolge, die Filmfriend auszeichnen. »Wir suchen wie die Trüffelschweine nach guten Filmen«, erklärt Koll, »und wollen ein breiteres Angebot, beispielsweise historische Filme ins Repertoire holen, aber auch bei Serien fürs junge Publikum gibt es noch viele Perlen zu finden. Serien, die vielleicht einmal bei KiKa liefen und dann in den Archiven der Sender verschwanden.«

Kein Ersatz für DVD-Bestand

Das Angebot des Streamingdienstes ist für alle Nutzer*innen der beteiligten Bibliotheken inbegriffen. 38 Euro im Jahr kostet der Ausweis für die Kölner Stadtbibliothek — Minderjährige erhalten ihn kostenlos —, inklusive aller digitalen Angebote, zu denen auch Musikstreamingdienste gehören. Filmfriend kann sogar bis auf weiteres gratis und ohne Ausweis genutzt werden, Zugangsdaten beantragen über auskunft@stbib-koeln.de. Der Probe-Account endet mit dem Ende des Lockdowns und der Wiedereröffnung der Bibliotheken. »Ungefähr 15 Prozent der Mitglieder nutzen unsere digitalen Angebote bereits«, so Frank Daniel, der ­dennoch am 15.000 Filme umfassenden DVD-Bestand der Zentral­bibliothek festhalten möchte: ­»Streamingdienste decken ja nicht alles ab.«

Auch die Kölner Hochschule für Medien (KHM) und die Internationale Filmschule (ifs) in Köln-Mülheim bieten ihren Studierenden den Zugang zu Filmfriend an. Nina Frey von der ifs weist auf einen besonderen Vorteil für die Filmschule hin. Mittelfristig solle sich das Portal zur Plattform entwickeln, auf der Filme der Studierenden präsentiert werden. Zurzeit kann man den ifs-Film »Beat Beat Heart« bei Filmfriend sehen. Der abendfüllende Abschlussfilm der Regisseurin Luise Brinkmann ist ein Feelgood-Movie über Liebeskummer — und damit ganz nah dran an den Streaming-Bedürfnissen in Corona-Zeiten.

koeln.filmfriend.de