Ohne Chi-Chi: Nette Sol und Wolly Düse

Fluch und Segen

Der Schlagzeuger Wolly Düse spielte mit seinen Bands Rausch und Cowboys On Dope einen anderen Kölschrock. Das ist lange her, aber nicht vorbei: Jetzt meldet er sich mit neuer Band zurück

2020. In dieser neuen Wirklichkeit hat man das Interesse an sinnentleerten Popsongs verloren. Doch nun kommt die Rock-Antwort aus dem Rheinland: Die Düsen. Der Name ist Programm, denn dahinter steckt kein geringerer als Wolly Düse — Mitbegründer und Schlagzeuger berüchtigter Kölner Rock’n’Roll-Institutionen wie Rausch und Cowboys on Dope.

Jetzt will er gemeinsam mit Sängerin Nette Sol die deutschprachige Song-Landschaft aufmischen. Die beiden preschen mit ihren unkitschigen Liebesliedern durch die Prärie ihrer ungeschminkten Gerade-heraus-Botschaften. Soziale Schiffbrüche, echte Freundschaft, virale Lebensgefühle: Jedes Stück ein kleiner Film. Den genau richtigen Ton treffen die beiden mit Punk’n’Roll, Psychedelia und freakbeatigem Singalong — erfrischend direkt und ohne Chi-Chi. Wolly Düse beherrscht die Register seines Rock’n’Roll, und dass es ihm Spaß macht, ist nicht zu überhören. Nette Sol besticht durch ihre gefühlvolle Stimme. Ganz großes Kino also, am besten laut aufgedreht: die Songs auf Vinyl und live sowieso — so bald wie möglich!


Herr Düse, Sie gehören seit über 30 Jahren zur Kölner Musikwelt. Wie hat sich die Szene verändert?

Die Szene von damals gibt es eigentlich gar nicht mehr, die meisten Bands sind aufgelöst, deren Musiker leben verstreut auf der ganzen Welt und machen komplett andere Jobs.

Wie erleben Sie als Musiker, der kein Stadion füllt und für den ­Konzerte überlebenswichtig sind, die Corona-Krise?

Wir haben natürlich auch ein paar Streaming-Gigs gespielt, aber ohne Publikum ist das natürlich total daneben, wenn du keine Reaktion, also keinen Applaus, auf deine Musik erhältst.

Sie waren früher Schlagzeuger bei Rausch, eine Band, die heute Kultstatus genießt. Dave Grohl, heute Foo-Fighters-Boss, hat 1991 mit Nirvana im Tanzbrunnen auf Ihre Felle eingedroschen, weil die Jungs zu spät ankamen und keine Zeit zum Aufbauen hatten. Wie war das für Sie?

Das war nichts Besonderes, wir hatten ja schon 1989 mit Soundgarden gespielt und mit Faith No More getourt, Nirvana kannte ich überhaupt nicht. Wir haben Nirvana auch noch 200 Dollar für das Benutzen unserer Backline abgenommen. (lacht)

Rausch war Fluch und Segen zugleich, nach der Trennung sind Sie Ihrem langjährigen Weggefährten Peter Sarach treu geblieben. Mit ihm zusammen entstand die Band Cowboys On Dope. Da schien der Durchbruch ganz nah. Oder?

Der Durchbruch mit Rausch war viel wahrscheinlicher als der mit den Cowboys. Ich fange jetzt nicht damit an, wie was gekommen wäre, wenn... Wir waren jung und hatten keine Ahnung vom Business. Wir hatten auf jeden Fall eine super Zeit.

Sie hätten 1995 bei Brings einsteigen können. Warum hat es nicht sollen sein?

Weil ich da noch vertraglich an Rausch beziehungsweise an unsere Plattenfirma gebunden war.

Extrabreit wollten Sie ebenfalls als Trommler haben. Auch da haben Sie der Verlockung widerstanden, ins Rampenlicht zu rücken. Was war hier der Grund?

Da kam sogar eine beträchtliche Ablösesumme ins Spiel, habe aber weiter an meine Band Rausch geglaubt und das Angebot dankend abgelehnt. Ich habe aber ihre damalige Single »Jeden Tag, jede Nacht« eingetrommelt.

Nach dem Aus der Cowboys, die in Köln an jeder Steckdose spielten, haben Sie eine neue Band namens Die Düsen gegründet. Deutscher Pop. Erzählen Sie mal...

Nachdem wir den Score und den Soundtrack zum Peter-Thorwarths-Film »Nicht mein Tag« gemacht hatten, hatte ich einiges Material übrig und spielte das meinem Freund und Kollegen Paul Grau (früherer Rausch-Produzent, d. Red.) vor, er brachte mich dann auf die Idee, mein erstes Soloalbum zu veröffent­lichen. Zuerst schrieb ich die Texte auf Englisch, das war aber leider ziemlich mies und grammatikalisch unterirdisch, so dass ich mich entschied, die Songs auf Deutsch zu schreiben.

Was macht Die Düsen aus?

Die Musik klingt ein wenig wie Wir sind Helden. Die waren damals Lieblinge des Feuilletons. Im Gegensatz zu meinen früheren Bands haben wir bei den Düsen mehr akustische Instrumente — Ukulele, Zither, Violine, Flügel etc. —, aber auch Synthies und elektronische Elemente am Start, ohne dabei aber auf wuchtige Drums, fette Bassläufe und Rock-Gitarren zu verzichten. Zudem kommt der teilweise zweistimmige Gesang von Nette und mir dazu, wobei ich da meistens die höheren Parts übernehme. Da die Songs stilistisch stark variieren, wird der Hörer immer wieder überrascht, trotzdem zieht sich aber ein roter Faden durch unseren Sound. Aber vielleicht ist es die Überraschung, die uns ausmacht.

Und mit dem Vergleich mit Wir sind Helden können Sie leben?

Klar. Andere Leute behaupten, dass wir wie Ideal oder 2raumwohnung klingen.

Die Debütsingle heißt »Im Netz«. Das Thema ist ziemlich aktuell, oder?

Ja klar. Digitalisierung und Social Media bestimmen leider immer mehr unser Leben. Ich bin oft froh, wenn ich nicht am Rechner sitze und einfach nur Musik mache oder mit Freunden zusammen sitze und wir uns unterhalten.

Die deutsche Radiolandschaft ist extrem schwierig. Was macht Ihnen Hoffnung, dass Die Düsen da ihren Platz finden werden?

Im Radio läuft leider fast nur Mist. Als Indie-Band hast du es da sehr schwer, vor allem bei den großen Sendern hast du so gut wie keine Chance darauf, im Radio gespielt zu werden. Es gibt aber auch einige kleine Radiosender wie KölnCampus, bei denen kein Mainstream läuft. Musik von Die Düsen ist aber ziemlich eingängig und poppig, vielleicht hört uns ja ein einflussreicher Redakteur und wir werden die neuen Fools Garden.

Auch jetzt hoffen Sie auf den großen Hit?

Was würde Sie glücklich machen? Ich schiele nicht auf einen Hit, es wäre natürlich schön, wenn unsere Musik bei möglichst vielen Leuten ankommen würde, aber es gibt noch eine ganze Menge guter neuer Bands, die auch alle nach oben wollen. Ich bin ganz entspannt, wir werden sehen, wie es läuft. Leider sind unsere Konzerte alle Corona-bedingt abgesagt worden. Wie lange das noch so weitergeht, steht in den Sternen. Wenn es gut läuft, spielen wir am 5. März im MTC in der Zülpicher Straße.

Bereuen Sie etwas in Ihrem Musiker­leben?

Nein, wir hatten mit Rausch und den Cowboys eine wirklich gute Zeit, sind viel herum gekommen und hatten immer sehr viel Spaß. Vielleicht hätte man ein bisschen besser auf die Penunzen aufpassen sollen. (lacht laut)

Sehnen Sie sich zurück in die Zeit, als es in Köln noch das Musikfest am Ring gab und die Popkomm dort zu Hause war?

Im Moment sehne ich mich sogar extrem danach zurück, war schon schön mit so vielen Menschen zusammen zu kommen und zu feiern. Da waren auch alle nationalen Bands und Musiker in Köln zu Besuch und überall gab es Gigs, Partys und Action. Das war eine gute Zeit. Es gibt aber in Köln auch wieder einige ähnliche Events wie zum Beispiel Gamescom mit diversen Bühnen auf dem Ring oder das Indie-Cologne-Fest im Odonien.

War es früher einfacher für Bands in Köln?

Rausch, Violet, The Pleasure Principle, Bagdad Babies, King Candy, Supreme Machine, Cowboys On Dope... alles tolle Bands aus dieser Stadt. Die Verbreitung von Musik hat sich total verändert, damals gab es noch eine funktionierende Musikindustrie, die genannten Bands hatten fast alle einen Major-Deal in der Tasche und es gab noch keine Streaming- und Download-Dienste, die sich im großen Stil an den Urhebern bereicherten.

Was war und ist immer noch Ihr Lieblingsclub in Köln?

Mein Lieblingsclub war das Bel Air, das ist aber schon lange Geschichte. Ansonsten gucke ich mir Konzerte gerne im Blue Shell, Sonic Ballroom, MTC oder im Luxor an.

Info: dieduesen.com