Nie ohne ihre Kamera: Alanis Obomsawin

Not Bored of Canada

Filmgeschichte auf Kölner Leinwänden

Der anhaltende Lockdown bietet Gelegenheit, sich wirklich großen filmhistorischen Entdeckungen im Internet hinzugeben. Den Youtube-Kanal des Korean Film Archive mit seinen über hundert Filmen könnte man schon durchgeguckt und historisch-kritisch vorverdaut haben. Aber seien wir ehrlich…um die 150 Spielfilme? Das ist fast nichts angesichts der Zeitmassen, die sich aufdrängen. Was es in dieser Stunde des Wartens auf bessere Zeiten braucht, ist die Website des National Film Board of Canada (NFBC). Dort findet man zehntausende von Filmen — geführt werden rund 2000 Filmschaffende. Viele haben zwar nur eine Handvoll Werke am Start, das wird aber durch den Output von Typen wie Norman McLaren mit gleich mehreren Dutzend Titeln ausgeglichen. Das Gros der Arbeiten ist kurz, aber das macht sie nicht weniger wertvoll. Auch, weil sie im Prinzip nützliche Werke sind, die der kanadische Staat (mit-)produzierte, um seine vielgestaltige Bevölkerung (selbst-)kritisch aufzuklären. Und das in allen Genres und Formen! Ja, man findet dort zum Beispiel auch sehr viele Arbeiten von Inuit- oder Métis-Filmschaffenden, etwa Alethea Arnaquq-Baril oder Alanis Obomsawin! Nur wo beginnen? Pragmatisch gesehen bei den Regisseur*innen. Und welche Namen sollte man zuerst anklicken? Vielleicht Colin Low, Wolf Koenig, Roman Kroitor, Arthur Lipsett, Gerald Potterton, Norman McLaren und Terence Macartney-Filgate. Filmemacher*innen, die der Produzent, Schnittmeister und angelegentliche Regisseur Tom Daly in der Unit B um sich scharte — dem heimlichen Herzen des NFBC. Man könnte es die Abteilung für Exzentriker und Unangepasste nennen. Ein Ort, an dem die Idee des totalen Kinos kultiviert wurde. Abgesehen von Macartney-Filgate waren alle sowohl im Animations- wie im Dokumentarfilm tätig und/oder kultivierten Genregrenzen sprengende Avantgarde-Mischformen. Das gilt vor allem für Lipsett. Das wiederum führte dazu, dass Kroitor, Koenig und Low zu Pionieren der Multi-Screen-Projektionen wurden. Frühe Schritte in der Entwicklung von IMAX — das ursprünglich als eine Art Leinwand gedacht war, auf der man eine Vielzahl von Bildern arrangieren konnte. Diesen Corpus an Filmemacher*innen zu entdecken bedeutet, das Kino an sich als Wirklichkeits- wie Möglichkeits-Kunst zu verstehen. Und wenn man das getan hat, dann ist es auch egal, worauf man sich als nächstes stürzt. Man weiß nun besser, was einem das Kino alles zu geben vermag. Und es ist zu 99% umsonst.

Hier geht es zur Seite des National Film Board of Canada: nfb.ca