Willkommen im Rom des Nordens, Herr Visitator: Ursulinenkirche im Kunibertsviertel

Am heiligen Stuhl kleben

Wer befreit das Kölner Erzbistum von seinem Bischof?

Rainer Maria Woelki, Erzbischof von Köln, hat nicht mehr viele Fans. Das weiß er selbst: »Mir ist schmerzlich bewusst, dass Vertrauen verloren gegangen ist«, teilte Woelki Anfang Februar mit. Beim »pastoralen Zukunftsweg«, dem Reformprozess des Bistums, wollen seine Schäfchen wegen der »ungeklärten Missbrauchsaufarbeitung« nicht mehr mitmachen. Was nun? Politikerinnen und Politiker kann man abwählen, Bischöfe nicht. Die Kirche ist nun mal keine Demokratie. Was die Sache noch komplizierter macht: Woelki kann auch nicht einfach zurücktreten, eine Weihe lässt sich nicht rückgängig machen. Einmal Bischof, immer Bischof.

»Der Bischof kann seinen Amtsverzicht anbieten, aber nur der Papst kann ihn annehmen«, sagt Georg Bier, Kirchenrechtler an der Uni Freiburg. Natürlich kann der Papst einen Bischof auch des Amtes entheben. »Das kann der Fall sein, wenn der Papst den Eindruck gewinnt, der Bischof nimmt sein Amt nicht so wahr, wie es erforderlich ist«, sagt Bier. Woelki steht im Verdacht, sexuellen Missbrauch vertuscht und Täter geschützt zu haben. So hat er im Jahr 2015 einen Missbrauchsfall nicht wie vom Kirchenrecht vorgesehen nach Rom gemeldet. Doch in diesem Fall sprach der Heilige Stuhl den Kölner Erzbischof gerade erst frei: Eine Meldepflicht habe es erst seit 2020 gegeben. Kirchenrechtler Bier kann sich das nicht erklären. »Die kirchlichen Normen sind an dieser Stelle eindeutig und bereits seit 2001 in Kraft.« Der Heilige Stuhl bemüht sich auch gar nicht erst, seine Entscheidung mit Argumenten zu begründen. »Er sagt nur: Wir verstehen das eben so«, sagt Bier. Und wessen Auslegung sollte sonst zählen? Wer das anders sieht, muss irren. Die wenigen Anhänger Woelkis sitzen an den richtigen Stellen.

Vielleicht ist in Rom aber auch ein anderer Prozess im Gange. Bevor ein Bischof des Amtes enthoben wird, kann der Papst ihm die Chance geben, diesem demütigenden Akt durch einen Amtsverzicht zuvorzukommen. »Die päpstlichen Normen sehen diese Möglichkeit der Gesichtswahrung ausdrücklich vor«, so Bier. Seit Wochen fleht Woelki die Menschen an, sich doch bis zum 18. März zu gedulden, wenn das Missbrauchsgutachten veröffentlicht wird. Hofft er, ungeschoren davonzukommen? Oder wartet er, bis der Vatikan ihm endlich den Amtsverzicht nahelegt?

Es gibt noch ein weiteres Instrument, einen Bischof matt zu setzen: die Apostolische Visitation. Eine solche forderten im Januar fünf Kölnerinnen von der Bewegung Maria 2.0 in einem Brief an Papst Franziskus. Kommt dieser spezielle Besuch aus Rom, hat der visitierte Bischof erstmal nichts mehr zu sagen. Wenn der Visitator seine Untersuchung beendet hat, entscheidet der Papst über das weitere Schicksal. »Der Brief war als Hilferuf gedacht«, sagt Maria Mesrian von Maria 2.0. Doch der Papst mochte keinen Visitator nach Köln schicken. Stattdessen wird Maria 2.0 nun von der vatikanischen Glaubenskongregation beobachtet, wie die FAZ berichtet. Da habe es wohl eine Anzeige aus rechtskatholischen Kreisen gegeben, vermutet Mesrian. »Im schlimmsten Fall droht uns die Exkommunikation.« Eine milde Strafe, wenn man bedenkt, dass die Glaubenskongregation in der Nachfolge der Inquisition steht. »Früher«, sagt Mesrian, »wären wir verbrannt worden«.