Da lachten sie noch: »Die letzte Instanz« im WDR, Foto: © WDR / Max Kohr

»Es gibt blinde Flecken«

Nach Rassismus in einer Talkshow diskutiert der WDR über den eigenen Umgang mit dem Thema

 

Der WDR macht wieder Schlagzeilen in eigener Sache. In der TV-Talkshow »Die letzte Instanz« erklärten Prominente wie Thomas Gottschalk und Micky Beisenherz, warum sie gerne das M-Wort und das Z-Wort benutzen möchten. Der WDR kassierte einen verdienten Shitstorm, entschuldigte sich und sendete zwei Wochen einen Karnevalsbeitrag mit Blackfacing. Warum tut sich der Sender so schwer mit Rassismus? Das haben wir Iva Krtalic, die Integrationsbeauftragte des Senders, gefragt.

Frau Krtalic, was haben Sie als Integrationsbeauftragte gedacht, als Sie die Folge von »Die letzte Instanz« gesehen haben?

Ich war sehr aufgewühlt. Es hat mich an die 90er Jahre erinnert, als ich nach Deutschland gekommen bin. Damals hat man noch so gesprochen. Wir als WDR stehen nicht für so etwas und deshalb ist die berechtigte Kritik an der Sendung auch ein starker Impuls gewesen, dass wir an das Thema Vielfalt noch mal stärker herangehen.

Der WDR hat sich öffentlich für die Sendung entschuldigt.

Ich fand die Entschuldigung aber etwas halbherzig im Vergleich zu vergangenem Jahr, als es um ein harmloses Kinderlied ging. Diesen Eindruck kann ich nicht kommentieren. Unsere Unterhaltungs-Chefin Karin Kuhn hat sich umgehend und klar entschuldigt, sie führt Gespräche mit Vertreter*innen von Selbstorganisationen. Es war ein Warnschuss. Jetzt haben alle Redaktionen das Thema auf dem Schirm und in einem Projekt mit den Programm­chef*innen gehen wir gerade strukturelle Fragen an. Wir wollen konkrete Maßnahmen im Programm auf den Weg bringen und sie möglichst schnell umsetzen.

Trotzdem wurde ja nicht nur die Folge der »Letzten Instanz« zweimal ausgestrahlt, am Karnevalssonntag wurde eine Blackfacing-Szene in einer Karnevalssendung gezeigt. Wie kann so was passieren?

Dieser Frage gehen wir aktuell nach. Ich kann nur sagen, dass es ein Einvernehmen darüber gibt, dass uns solche Vorfälle schaden. Jetzt müssen wir schauen, wie wir als Sender daraus lernen. Redaktionen wie die von »Cosmo« oder »WDRforyou« arbeiten journalistisch zum Thema Rassismus, ein Format wie »RebellComedy« geht das Thema in der Unterhaltung an. Es gibt aber offenbar noch blinde Flecken, und dann passiert so etwas und wir stehen in der Öffentlichkeit schlechter da als wir sind.

Aber die genannten Formate sind Nischenprogramme. Dienen die nicht auch ein wenig als Feigenblatt für den WDR?

Nein. Ich betrachte den Kampf gegen Rassismus als eine durchdringende Aufgabe, bei der alle Bereiche mitgedacht werden. Als Medienhaus haben wir dort eine besondere Verantwortung, denn wir gestalten den gesellschaftlichen Diskurs mit. Und damit es dort vielfältiger zugeht, können wir bestimmte Weichen stellen, die strukturelle Ergebnisse haben. Zum Beispiel fördern wir junge Medienschaffende mit internationalen Biografien durch unsere Talentwerkstatt »WDR grenzenlos«. Sie bringen neue Perspektiven und Erfahrungen in die Redaktionen und tragen dazu bei, dass andere Themen ins Programm kommen. Auch bei unseren Volontär*innen hat jetzt zum zweiten Mal die Hälfte einen sogenannten Migrationshintergrund.

Aber stößt das nicht an eine Grenze?

Diese Journalist*innen müssen dann im TV ein Programm für ein älteres Publikum machen, für das gesellschaftliche Diversität nicht so selbstverständlich ist wie für Menschen unter 40 und dessen Einstellungen vielleicht nicht so weit entfernt sind von denen, die in »Die letzte Instanz« gezeigt wurden. Ich weiß gar nicht, ob es dieses Dilemma so gibt. Viele junge Kolleg*innen arbeiten an digitalen Projekten, die sehr divers sind. Wir versuchen aber auch, die Sensibilität für das Thema bei allen Programmen, auch zum Beispiel bei der »Lokalzeit« zu erhöhen. Wir haben im vergangenen Jahr eine Studie unter Menschen zwischen 20 und 40 Jahren mit »Migrationshintergrund« gemacht. Die schauen kaum noch lineares Fernsehen, sondern digitale Formate. Aber sie vertrauen dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk, wenn es um Nachrichten oder Service geht, auch Social Media. Da unterscheiden sie sich nicht vom Rest ihrer Generation. Und für diese Gruppe ist es wichtig, sich und ihre postmigrantischen Leben in den Medien repräsentiert zu sehen — zum Beispiel, was es heißt, in Deutschland als Kind von Einwanderern aufzuwachsen. In deutschen Großstädten hat die Hälfte der Grundschulkinder einen Migrationshintergrund. Das ist unser Publikum von morgen, und für die müssen wir auch Programm machen. 

Im März will der WDR als »Wiedergutmachung« einen Programmschwerpunkt zum Thema Rassismus machen. Die Comedian Enissa Amani hat im Netz das Format »Die beste Instanz« gemacht — mit postmigrantischen Journalist*innen wie Nava Zarabian oder Max Czollek. Wäre das nicht ein Format für den WDR?

Ich fand »Die beste Instanz« super. Die Sendung hat gezeigt, dass es gute Leute gibt, die zum Thema etwas zu sagen haben. Und diese Stimmen werden auch an vielen Stellen im WDR gehört, zum Beispiel bei »Monitor Studio M«.

Disclaimer: Der Autor arbeitetregelmäßig selbst für den WDR.

Iva Krtalic kam in den 90er Jahren als Journalistin aus Kroatien nach Deutschland. Nachdem sie lange als Redakteurin beim WDR gearbeitet hat, ist sie seit 2016 Integrations­beauftragte des Senders.