Halten Ausschau nach neuem Wohnraum: Nutrias bevölkern nun Kölner Gewässer, Foto: ivabalk / Pixabay

Süße Plage

In Köln wurden erstmals Nutrias gesichtet. Die Nager stehen künftig unter Beobachtung

Lange Barthaare, orangefarbene Zähne, buschiger Schwanz. »Die Tiere haben einen hohen Sympathiefaktor bei den Bürgern, weil sie so putzig sind«, sagt Thorsten Florin-Bisschopinck. »Vor einer Ratte ekeln sich viele Menschen, vor einer Nu­tria nicht.« Florin-Bisschopinck arbeitet beim Umweltamt der Stadt Köln. Anfang des Jahres gingen dort erstmals Anrufe von Kölnerinnen und Kölnern ein, die die Biberratten im Stadtgebiet gesichtet hatten — etwa am Theodor-Heuss-Weiher zwischen Ebertplatz und Rheinufer. Florin-Bisschopinck wundert das nicht. Seit Jahren breiten sich Nutrias in Deutschland aus. »Dass der innerstädtische Lebensraum von Nutrias angenommen wird, hätte ich nicht unbedingt erwartet. Aber die Tiere sind anpassungsfähig«, sagt der Biologe.

Ursprünglich stammt die Nagetierart aus Südamerika, hat sich aber längst in Mitteleuropa eta­bliert, wo Nutrias als Nutztiere in Pelzfarmen gehalten wurden. »Der jetzige Bestand ist anthropogen verursacht«, sagt Achim Kemper vom Nabu Stadtverband Köln. »Die Tiere sind irgendwann ausgebüchst oder freigelassen worden.« Wenn sogenannte Neozoen aufkommen, schließt sich oft eine Debatte an, ob die Tiere invasiv sind, also heimische Arten gefährden, weil sie ihnen Nahrung oder Lebensraum streitig machen. »Mit dem Begriff sollte man vorsichtig umgehen. Nutrias sind nur dann invasiv, wenn der Schwund heimischer Arten nachweislich in Zusammenhang mit ihrem Aufkommen stünde«, sagt Kemper. Der Nachweis sei schwer zu führen, erst recht für die Kölner Nutrias. »Es ist ja nicht mal genau bekannt, wie groß die Population ist.« Für Kemper haben die Nutrias viel mit den Halsbandsittichen gemeinsam. Auch die grünen Papageien sind aus der Gefangenschaft entflohen, Nahrung und milde Winter haben es ihnen erleichtert, sich in Köln auszubreiten. Mittlerweile gehören sie zum Stadtbild. »Man sollte eine Koexistenz von zugewanderten und heimischen Arten anstreben«, sagt Kemper. Ohnehin werde der Klimawandel die Lebensräume verschiedener Arten verschieben.

Die Frage nach der Größe der Popu­lation sei schwierig zu beantworten, bestätigt Thorsten Florin-Bisschopinck vom Umweltamt. Der Behörde sind derzeit drei Standorte in Köln bekannt — am Sürther Bootshaus mit etwa zehn Tieren und am Theodor-Heuss-Weiher mit anscheinend nur einem Tier. Wie viele Tiere sich in Langel aufhalten, wisse man nicht. »Ökologisch gesehen sind die Tiere in der Innenstadt eher problemlos, könnten aber an bestimmten Stellen ein Problem werden«, sagt Florin-Bisschopinck. Er denkt etwa an die Stadtwald­weiher, in deren Schilfgürtel Vögel leben. »Wir werden die Bestands­entwicklung zusammen mit dem Grünflächenamt, in dem die Jagdbehörde angesiedelt ist, kritisch beäugen.« Das ist schon allein deshalb notwendig, weil Nutrias mehr als zehn Junge pro Jahr bekommen können. »Wenn irgendwann Maßnahmen nötig wären, würden wir die auch treffen.« Anders als in anderen Regionen von NRW, wo die Tiere abgeschossen werden, würde das in der Kölner Innenstadt wohl bedeuten, dass die Nutrias mit Fallen gefangen werden.

Für Köln könnten Nutrias noch aus einem anderen Grund zum Problem werden. Die Nager könnten mit ihren unterirdischen Bauten den Hochwasserschutz gefährden. »Wir haben mit dem Nabu die Erstellung der Hochwasserschutzkonzepte begleitet. Ein Thema waren da Tierarten, die durch ihre Bauten und Gänge Dämme löchrig machen.« Das Problem, sagt Kemper, sehe er auch bei den Nutrias. »Das ist vergleichbar mit den Kaninchen.«