Chronistin des Ausnahmezustands: Louise Michel (Ausschnitt) | Foto: CC0 Paris Musées / Musée Carnavalet

Das Ende der Nacht

Louise Michel schildert das revolutionäre Aufflackern der Pariser Commune

»Die Sturmglocken läuten in voller Lautstärke, es herrscht Ausnahmezustand in Paris«, hat Louise Michel über das Ende der Pariser Commune festgehalten. »Alle Ereignisse jener Tage legen sich übereinander wie Schichten, als hätte man in wenigen Tagen tausend Jahre durchlebt.« Was im März 1871 als das sozialistische Experiment der Pariser Commune begann, kulminierte im Mai in dem beschriebenen Ausnahmezustand und der blutigen Niederschlagung der Kommunard*innen. Ganz vorne auf den Barrikaden mit dabei: Die 40-jährige Lehrerin Louise Michel, deren Aufzeichnungen über den »Ausnahmezustand« der Pariser Commune zum 150. Jahrestag erstmals vollständig ins Deutsche übersetzt worden sind.

Michel hatte 24 Jahre nach dem Ende der Commune im Londoner Exil auf Basis von Dokumenten, Briefen und ihren Erinnerungen diese prägenden Jahre mit viel Pathos rekonstruiert, um, wie die Übersetzerin Veronika Berger festhält, die Kämpferinnen und Kämpfer der Commune und vor allem die Toten zu würdigen, »damit Gerechtigkeit geschehen kann«.

»Das Erwachen«, ist das erste Kapitel betitelt. »Frankreich schien tot in dieser Nacht des Entsetzens«, heißt es dort über die Herrschaft von Napoleon III. »Aber immer dann, wenn Nationen gleichsam wie im Grab schlafen, regt sich im Geheimen das Leben«. Aus diesen Regungen entwickelte sich 1871 unter dem Eindruck des Deutsch-Französischen Kriegs und der Gefangennahme Napoleons durch die Deutschen das Experiment der Pariser Commune, das bis heute Bezugspunkt linker Utopien geblieben ist.

Zum politischen Programm der durch eine Gemeinderatswahl im März 1871 legitimierten Selbstverwaltung der Stadt Paris gehörte unter anderem ein kostenloses Bildungssystem für alle, die Trennung von Kirche und Staat, der Erlass von Mietschulden, die Kollektivierung von Fabriken und die rechtliche Gleichstellung von Frauen. Nicht nur rechtlich, auch im bewaffneten Kampf war die Commune geprägt von dieser Gleichstellung . Unter den 30.000 Opfern waren auch zahlreiche Kommunardinnen, die sich den Regierungstruppen in den Weg gestellt hatten. Viele weitere wurden verhaftet und wie Louise Michel in die Verbannung geschickt. Doch ihre autobiografischen Aufzeichnungen sind von der Hoffnung geprägt, dass die politischen Ideale der Pariser Commune weiter leben werden: »Die Idee ist nicht verloren. Andere werden sie aufgreifen und sie größer machen. Schon verbreitet sich das Wort Humanität in die ganze Welt.«

Louise Michel: »Die Pariser Commune«, Mandelbaum, 416 Seiten, 28 Euro