Molière: 13 Jahre rastloses Wandern

Ein Theater ohne Haus

Durch das World Wide Web tingeln die pande­mie­bedingt geschlossenen Theaterhäuser wie frühere Wandertheater

Lehrreich sind die Wanderjahre. Und lehrreich waren sie auch für Jean-Baptiste Poquelin, besser bekannt unter seinem Künstlernamen Molière. Dreizehn Jahre lang zog er mit seiner Truppe aus verlumpten, hungrigen Schauspieler*innen durch Frankreich, im Gepäck ein paar Tragödien und komische Farcen und später auch seine eigene Werke. Bis dahin sollte allerdings etwas Zeit vergehen. Erst nach vielen Jahren brachte er mit seiner Kompanie von ihm eigens verfasste Texte auf die Bühne, etwa das in Versen gedichtete Stück »Der Tollpatsch oder die Querstreiche« über einen gewitzten Diener und seinen notorisch ungeschickten Herrn. Man kann sich vorstellen, wie das Publikum damals vor Freude gejohlt haben muss.

Beim Blick in dieses Kapitel der Theatergeschichte drängen sich Fragen nach Parallelen zur heutigen Zeit auf: Befinden sich die pandemiebedingt geschlossenen Theaterhäuser nicht auch in ih­ren Wanderjahren, in denen sie durch die virtuelle Landschaft des World Wide Web ziehen müssen, auf der Suche nach neuen Formaten und einem Publikum? Damals wie heute war die Tatsache keine feste Spielstätte zu haben, eine Herausforderung. »Mühsam wird aus Tapeten und alter Leinwand ein Theater gefer­tigt, so gut es geht, wird etwas Garderobe zusammengeflickt«, schreibt der Komödiendichter Roderich Benedix in seinem 1847 erschienen Wandertheaterroman »Bilder aus dem Schauspielerleben«.

Gespielt wurde damals häufig unter freiem Himmel, auf Marktplätzen oder auf Wiesen am Rande der Dörfer. Zur Grundausbildung des wandernden Ensemble gehörte das Puppenspiel, das »Schlechtwetterprogramm« der reisenden Truppen, denn in den Bretterbuden und Wirtshäusern, in die man bei Regen auswich, gab es schlichtweg nicht genug Platz, um alle Schauspieler*in­nen auf die Bühne zu bringen. Aus den sogenannten Schaubuden, in denen die Ensemble auftraten, entwickelten sich später die ersten Kinos. Das wünscht man dem Theater nun aber nicht: dass sich ihre im Netz reproduzierten Stück völlig im Film auflösen, bis nichts mehr bleibt von den lehrreichen Wanderjahren zu neuen theatralen Formaten.