Die bessere Gewinnerin: Bernardine Evaristo, Foto: Jennie Scott

Das Andere schreiben

Bernardine Evaristo verleiht der weiblichen Alterität viele Stimmen

Mit der britisch-nigerianischen Schriftstellerin Bernardine Evaristo gewinnt 2019 erstmals eine Schwarze Frau den renommierten Booker Prize. Doch trotz der historischen Bedeutung verschwindet ihr Name in der medialen Berichterstattung neben der Mitpreisträgerin Margaret Atwood hinter der Paraphrase einer »anderen Autorin«. »Wie schnell und einfach sie meinen Namen aus der Geschichte gestrichen haben«, twittert Evaristo und findet sich damit ausgerechnet in jener Position wieder, von der aus sie die Frauenfiguren ihres Booker-Romans »Girl, Woman, Other« selbst erzählen lässt — nämlich als marginalisierte Andere.

Unter dem Titel »Mädchen, Frau etc.« sind diese Erzählungen nun endlich auch auf Deutsch erschienen. Die zwölf miteinander verwobenen Geschichten porträtieren Frauen aus verschiedenen sozialen Schichten und Generationen, die meisten von ihnen sind schwarz, viele lesbisch. Sie alle haben intersektionale Diskriminierung erlebt: durch Hautfarbe, Geschlecht, Sexualität und Herkunft. Evaristo konterkariert jedoch die gängigen Identitätskonzepte, indem sie sie zugleich zelebriert und ironisiert. So erklärt die woke Studentin Yazz ihrer weißen feministischen Freundin, dass diese von nun an nicht mehr nur als Frau, »sondern als Weiße, die mit den Brownies abhängt« gesehen werde, während an anderer Stelle die afrobritische von der afroamerikanischen Community bezichtigt wird, ihr britischer Akzent ließe sie »zu weiß« erscheinen »oder bestenfalls unauthentisch schwarz«.

Das Bild der Frau ist immer schon mit Erwartungen und Forderungen verknüpft, vor allem das einer Schwarzen Frau: »Du hast zu viel Charakter«, wirft man der jungen Waisen Grace vor. »Still sein oder verschwinden« ist auch die Botschaft an die politisch engagierte Theaterregisseurin Amma; und »einfach süß zu sein — ein Zweck an sich« zählt zu den prägendsten Kindheitserinnerungen von Morgan, der als transsexuelle Person von einer genderfreien Welt träumt: »das Problem ist nicht, dass ich als Frau geboren bin, sondern was die Gesellschaft deshalb von mir erwartet«.

Wahrscheinlich verzichtet Bernadine Evaristo in ihrem Text gerade deshalb auf eine konventionelle Zeichensetzung. »Fusion fiction« nennt sie ihren Schreibstil: kaum Punkte, ständige Zeilenumbrüche und viel Raum für ein freies Gedankensprechen der Figuren. Evaristos Entwürfe der Weiblichkeit füllen Leerstellen im Literaturkanon: und zwar mit einer spezifisch afrobritischen Diversität und Alterität.

Bernardine Evaristo: »Mädchen, Frau etc.«, Tropen, 512 Seiten, 25 Euro